Der stille Aufschwung im Osten - und was Österreich davon hat

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Während große Schwellenländer schwächeln, schafft Osteuropa ein kleines Wirtschaftswunder. Davon profitiert auch Österreich.

Wien. China, Brasilien, Russland. Die einstigen Stars der Weltwirtschaft sind zu Sorgenkindern geworden. Ihre Volkswirtschaften wachsen langsam oder gar nicht mehr, die Währungen beginnen zu taumeln, politische Spannungen werden größer – und die Hoffnung auf eine rasche und kräftige Erholung der globalen Konjunktur ist dahin.

Aber es gibt einen Lichtblick. Etwas abseits des Scheinwerferlichts hat eine Boomregion von gestern wieder an Schwung gewonnen: In weite Teile Osteuropas kehrt das Wachstum zurück. Die Wirtschaft in Tschechien, Rumänien, Polen und Ungarn wächst derzeit etwa doppelt so schnell wie jene im gesamten Euroraum. Die neuen EU-Mitgliedsländer im Osten werden heuer im Schnitt drei Prozent Wachstum schaffen, prognostiziert das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Das ist zwar weniger als in den Boomjahren um die Jahrtausendwende. Und der Schwung wird auch nicht reichen, um die Weltwirtschaft entscheidend anzutreiben. Österreichs komatöses Wirtschaftswachstum kann jedoch auf Reanimation hoffen.

Stabiler als vor der Krise

Denn es sieht ganz danach aus, als würde der alte Wachstumsmotor Osteuropa heute stabiler laufen als je zuvor – zumindest in jenen Teilen, die eher im Zentrum des Kontinents zu finden sind. Das Bild in Südosteuropa ist durchwachsener, und Russland und die Ukraine stolpern gänzlich in Richtung wirtschaftlicher Katastrophe.

Für die meisten Staaten Mittelosteuropas ist weder die einbrechende Nachfrage in China ein Problem, noch sind es sinkende Rohstoffpreise. Rumänien, Tschechien, Polen oder Ungarn schicken nur ein Prozent ihrer Exporte nach Peking. Der überwiegende Teil geht in die sich erholende Eurozone, ein knappes Drittel nach Deutschland. Und während Russland, Südafrika, Brasilien stark unter den niedrigen Rohstoffpreisen zu leiden haben, sind sie für weite Teile Osteuropas eine gute Nachricht, da Erdöl und Metalle importiert werden. Das wichtigste Argument für einen stabilen Aufschwung im Osten verdanken die Staaten jedoch dem Strukturwandel, den sie in ihren Volkswirtschaften angestoßen haben. Jedes einzelne Land in Mittelosteuropa erzielt mittlerweile einen Leistungsbilanzüberschuss, schreibt Morgan Stanley in einer aktuellen Studie. Diese neue Stabilität unterscheidet die Staaten nicht nur von den anderen Schwellenländern. Sie unterscheidet sich auch von dem Osteuropa vor der Krise. Damals war das hohe, aber unsichere Wachstum noch durch Fremdwährungskredite und Unsummen an spekulativem Kapital aus dem Ausland erkauft.

So wichtig wie Deutschland

In welchem Ausmaß kann nun Österreich von diesem wiedererstarken Osteuropa profitieren? Seit der Krise hatte es den Anschein, als hätten die heimischen Unternehmen die Region fluchtartig verlassen. Das stimmt jedoch nur punktuell. Die österreichischen Unternehmen sind – zu Recht – vorsichtiger geworden, unterscheiden stärker zwischen den einzelnen Märkten. Tatsächlich sind sie in Ländern wie Rumänien oder Tschechien jedoch weiterhin überproportional vertreten – und können so vom rascheren Wachstum in diesen Staaten profitieren. Die Impulse werden zwar geringer ausfallen als zur Boomzeit bis 2007, so das WIIW. Doch die Region bleibt für Österreich auch in Zukunft in Summe so bedeutend wie der größte Handelspartner Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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