Das verwaiste Büro

Leere Gänge, verwaiste Schreibtische. In manchen Unternehmen kommen Mitarbeiter nur mehr sporadisch ins Büro.
Leere Gänge, verwaiste Schreibtische. In manchen Unternehmen kommen Mitarbeiter nur mehr sporadisch ins Büro.Die Presse
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Bei Firmen wie Microsoft erscheinen nur 30 Prozent der Mitarbeiter pro Arbeitstag. Ein Münchner Start-up vermietet temporäre Büroräume. Schafft sich das Büro selbst ab?

München/Bonn. Arbeiten, wo und wann man will – viele Menschen schätzen die neue Freiheit im Job. Doch was wird aus den Firmen, wenn die Büros zunehmend verwaisen? Homeoffice, Arbeitszeitkonten, Teil- und Gleitzeitmodelle weichen die Präsenzkultur Schritt für Schritt auf.

Bei Microsoft Deutschland gehören leere Büros bereits zum Alltag. Seit der Software-Riese im vergangenen Jahr unter viel öffentlicher Beachtung die Anwesenheitspflicht für seine Mitarbeiter abgeschafft hat, erscheinen im Schnitt nur noch 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter pro Arbeitstag in der Firmenzentrale in Unterschleißheim bei München. Im neuen Domizil im Münchner Norden wird es dann nicht mehr für jeden Mitarbeiter einen Schreibtisch geben. Falls es dort einmal voller wird, wird aber trotzdem noch jeder einen Platz zum Arbeiten finden: In einer der Sitzecken mit Lounge-Möbeln beispielsweise oder in einem Café, in dem die Mitarbeiter ihren Laptop aufklappen können.

Siemens: 20 Prozent zu Hause

Ganz so lang wie bei Microsoft ist die Leine in den meisten anderen Unternehmen in Deutschland aber bisher nicht. Bei Siemens etwa können Beschäftigte mit Büro- und Verwaltungstätigkeiten bis zu 20Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von zu Hause aus absolvieren, bei speziellen Telearbeitsverhältnissen sind es bis zu 80 Prozent. Basis sind entsprechende Betriebsvereinbarungen und Regelungen in den Arbeitsverträgen. Größere Sparpotenziale für den Elektrokonzern biete die Flexibilisierung aber nicht, zumal Siemens für adäquate Arbeitsplätze bei den Mitarbeitern daheim sorge.

Auch Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit geht davon aus, dass sich solche Mischformen mit festgelegten Büro- und Homeoffice-Arbeitstagen etablieren werden. Auf Firmenzentralen mit Kantine, Empfang und Tiefgarage dürften die Unternehmen deshalb auch künftig nicht verzichten können. Kleiner aber könnten manche werden – etwa mit angemieteten Räumen, die flexibler für Arbeit und Konferenzen nutzbar sind.

Die Berliner Firma Satellite Office hat das zum Geschäftsmodell gemacht. Wie in einem Hotel können die Kunden über das Unternehmen repräsentative Räume mit flexiblen Arbeitsplätzen, Konferenzbereichen und Bürodienstleistungen bis hin zur Erledigung der Firmenpost für einige Monate oder auch nur tageweise anmieten. So lasse sich der komplette Betrieb des Büros auslagern, während sich die Kunden auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können, sagt Firmengründerin Anita Gödiker. Sechs solcher Business Center unterhält ihr Unternehmen mittlerweile in Deutschland.

Ende für Achtstundentag?

Auch in der Produktion könnten die Unternehmen von flexiblen Arbeitszeiten profitieren, weil sie sich auf diese Weise besser an Nachfragesituationen anpassen, sagt Roland Wolf, Leiter der Abteilung Arbeitsrecht bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Die Arbeitgeber wollen im Zuge der Diskussion um flexible Arbeitszeiten und Homeoffice auch den im Arbeitszeitgesetz verankerten Achtstundentag kippen und durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzen – ein Vorstoß, der bei Gewerkschaften auf harsche Kritik gestoßen ist.

Trotzdem wolle man an dem Thema dranbleiben, sagt Wolf: „Starre gesetzliche Regelungen entsprechen immer weniger der betrieblichen Realität. Wir würden mit einer entsprechenden Anpassung teilweise die Wirklichkeit abbilden, wie sie ist.“ (APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2015)

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