USA: Die Notenpresse kann es nicht richten

Federal Reserve Chair Janet Yellen attends a news conference after chairing the second day of a two-day meeting of the Federal Open Market Committee to set interest rates in Washington
Federal Reserve Chair Janet Yellen attends a news conference after chairing the second day of a two-day meeting of the Federal Open Market Committee to set interest rates in Washington(c) REUTERS (CARLOS BARRIA)
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Auf fallende Kurse folgen die Rufe nach billigem Geld. Aber die Macht von Zentralbanken wird massiv überschätzt. Sie können zwar die Börsen heben, aber nicht die Realwirtschaft retten.

Wien. Seit der Finanzkrise sind die Taten der Zentralbanken für viele Anleger und Analysten zu einer Obsession geworden. Diese Reaktion entspricht dem heute wohl am meisten verbreiteten ökonomischen Weltbild, das in etwa so lautet: Da gibt es etwas, das Wirtschaft oder Markt genannt wird. Wenn dieses Ding funktioniert, ist das toll. Und wenn dieses etwas nicht so tut, wie es soll, dann springen eben Zentralbanken (und Staaten) ein, um es wieder zu richten.

Im kommunistischen China mag das sogar verständlich sein. Aber nirgends ist es heute sichtbarer als an der Wall Street, dem angeblichen „Herz des Kapitalismus“. Vom Riesen-Hedgefonds bis zum Kleinanleger starren alle stur in Richtung der US-Notenbank Federal Reserve. Und wenn die Kurse einmal sinken, rufen die Anleger wie kleine Kinder lauthals nach der Fed, die die Wirtschaft wieder richten soll.

Ein explosiver Cocktail

Aber hier ist das Problem: Sie kann es nicht. Keine Frage: Die Fed und die anderen Zentralbanken verfügen über schier endlose Macht in Form einer virtuellen Notenpresse. Aber selbst schier endlose Macht endet irgendwann. Kurz: Die Fed kann die Aktienkurse retten, ja vielleicht sogar steuern. Aber die Realwirtschaft?

Seit der Finanzkrise 2008 haben die Zentralbanken weltweit die Zinsen Richtung Nullpunkt gedrückt und nebenbei noch die Kleinigkeit von mehr als zehn Billionen (10.000 Mrd.) Dollar in die Märkte gepumpt – via Käufen von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Sie haben verzweifelt versucht, die Wirtschaft durch diese unfassbare Geldflut wieder in Gang zu bringen.

Aber dabei haben sie nur eines erreicht: Die Aktienkurse sind gestiegen, als würden wir uns in einer echten wirtschaftlichen Erholungsphase befinden. Das tun wir aber nicht – selbst China stottert wegen der fehlenden Nachfrage aus dem Westen. Und die Hedgefonds-Manager, Investoren und Zentralbanker scheinen inzwischen völlig vergessen zu haben, dass nur echte wirtschaftliche Aktivität am Ende des Tages auch Prosperität schafft. Die Politik des billigen Geldes hat aber lediglich die Zahlen in die richtige Richtung bewegt.

Gleichzeitig haben Staaten und Zentralbanken alles daran gesetzt, den Markt an der Gesundung zu hindern. Nirgends wird das sichtbarer als bei der Verschwendung von Steuergeld zur Rettung von Banken, die eigentlich hätten sterben müssen. Kapitalismus mag kein perfektes System sein. Kapitalismus mit Zentralbanken ist es sicherlich nicht. Aber Kapitalismus mit Zentralbanken und einer impliziten Staatsabsicherung für Banken? Das ist ein explosiver Cocktail.

(C) Bloomberg/ DiePresse

Auch Quantitative Easing, also das zusätzliche Drucken tausender Milliarden zur Unterstützung der Aktienmärkte, Schaffung von Arbeitsplätzen und Erreichung des Inflationsziels, hat nur zur Hälfte funktioniert. Das gibt die Federal Reserve inzwischen selbst zu. Inflation und Arbeitsmarkt sind unter den Erwartungen geblieben, weil die Realwirtschaft nicht wie erhofft angesprungen ist. Einzig die Unterstützung des Aktienmarktes hat geklappt. Aber kaum zieht die Federal Reserve den Stecker – wie sie es mit dem Ende von Quantitative Easing getan hat – fangen die Märkte an zu zittern.

China senkt wieder die Zinsen

Jetzt schreien sie wieder nach der Fed. Von den Ökonomen Lawrence Summers und Paul Krugman bis zu den Banken und Kleinanlegern – alle belagern die Fed-Chefin Janet Yellen: „Tu's nicht! Heb die Zinsen nicht!“ Die Party soll weitergehen.

Und tatsächlich scheinen ihnen die Daten recht zu geben. Die Zentralbanken von 15 OECD-Ländern haben seit 2008 die Zinsen angehoben. Und ohne Ausnahme mussten sie sie wieder senken. Warum? Weil Zentralbanken die Wirtschaft eben nicht nach Belieben steuern können. Weil der blutleere Aufschwung nach der Krise auch geringfügiger teureres Geld nicht ertragen kann. Und weil die Staaten des Westens höhere Zinsen wirklich nicht brauchen können – die Zinszahlungen für Staatsschulden würden die Haushalte nur noch mehr belasten.

Die Chinesen haben die Zinsen am Dienstag – wieder – gesenkt. Wenn die Fed ihrerseits die Zinsen jetzt anhebt, riskiert sie zwar eine Rezession, würde aber zumindest endlich die lang überfällige Gesundung des Marktes anregen.

Alternativ könnte sie den Geldhahn erneut aufdrehen. Das hat der Realwirtschaft zwar auch bisher nichts gebracht – aber vielleicht würden wir wieder ein neues Allzeithoch im Dow Jones sehen. Dann können wir wenigstens wieder so tun, als wäre alles in Ordnung – und als hätte irgendjemand die Lage unter Kontrolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2015)

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