EBRD-Chef: „Wem es schlecht geht, der macht wieder Reformen“

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Der Chef der Osteuropabank, Suma Chakrabarti, zieht im Interview mit der "Presse" Bilanz – auch in Sachen Hypo.

Die Presse: Die Wende im Osten ist nun schon 26 Jahre her. Sind Sie mit dem Stand des Wandels zufrieden oder enttäuscht darüber?

Suma Chakrabarti: Man kann schon zufrieden sein. Aber es ist ein Auf und Ab. Es ging sehr gut bis vor zehn Jahren. Dann blieben einige Länder stecken, machten keine Reformen mehr. Dieses Manko wird jetzt sichtbar durch den Rückgang des Ölpreises: in Russland, das zu sehr von Rohstoffen abhängt, und bei seinen Nachbarn, die zu stark vom Motor Russland abhängen. Aber: Wem es schlechter geht, bei dem kommt oft die Motivation für Reformen zurück. So ist es gerade in Kasachstan, der Ukraine, Serbien und Slowenien.

Sind die Zeiten hoher Wachstumsraten in Osteuropa vorbei?

Nun, warum waren die Wachstumsraten früher so hoch? Weil die Früchte niedrig hingen und weil die Länder harte Reformen durchführten. Warum sind sie jetzt geringer? Weil die Eurozone schwächer wächst und Russland in einer Rezession ist. Die Frage ist: Wie können die Länder bei dem besser werden, was sie selbst beeinflussen? Unsere Botschaft ist: Ihr müsst euch attraktiver machen für Investoren aus dem Ausland – nicht nur aus Westeuropa, sondern auch aus China, Indien, den Golfstaaten. Das geht nur mit ordentlichen Ausschreibungen, solider Auftragsvergabe, Transparenz.

EU-Oststaaten sind nun Lieblinge von Schwellenländer-Analysten, weil sie sich in den Turbulenzen um China und Brasilien als Hort der Stabilität erweisen. . .

Dafür gibt es sehr gute Gründe, vor allem bei Polen und dem Baltikum. Polen hat Institutionen aufgebaut, denen man wirklich vertrauen kann, auch auf lokaler Ebene. Dadurch konnte das Land auch am meisten Mittel aus den EU-Strukturfonds lukrieren.


Für Rumänien gilt das nicht.

Nein, aber die sind jetzt auf gutem Weg. Noch vor drei Jahren war dort der große Schwachpunkt die Korruption – oder besser die Weigerung der Politik, sie zu bekämpfen. Die Justiz ist jetzt viel stärker geworden. Das hatte Brüssel freilich schon seit Langem verlangt. Die EU hat daraus gelernt: Von den neuen Beitrittskandidaten auf dem Balkan fordert sie als ersten Schritt, vor allen anderen, die Rechtsstaatlichkeit.

Wird es Russland schaffen, sich von seiner Abhängigkeit vom Rohstoffmarkt zu befreien?

Es gibt in Moskau zwei Denkschulen. Sie sind sich nur in einem einig: dass man diversifizieren muss. Heute ist die Wirtschaft ja sogar weniger diversifiziert als zu Sowjetzeiten, auch geografisch. Damals konnte der Kreml noch sagen: In diese Stadt kommt diese Industrie. Jetzt regelt das der Markt. Nun sagen die einen: Wir brauchen mehr private Investoren, mehr Markt – also unser EBRD-Ansatz. Die anderen sagen: Der Staat muss das Kommando übernehmen, auch abseits von Öl und Gas. Die Schlacht zwischen beiden Lagern ist noch nicht geschlagen.

Sie beteiligen sich an Töchtern österreichischer Banken, etwa an Raiffeisen Aval in der Ukraine. Um viel Geld zu machen?

(Lacht.) Wir sind eine Bank, also wollen wir Geld machen. Aber unser wesentliches Ziel ist, Volkswirtschaften umzugestalten. Dafür sind Banken entscheidend, vor allem in der Krise. Die Ukrainer haben 25 verlorene Jahre hinter sich. 1990 hatten sie ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als die Polen, heute geht es ihnen weit schlechter. Wir beteiligen uns an Aval, weil das ein Eckpfeiler einer Bankenreform ist. Die Ukraine hatte 170 Banken, heute sind es 112, immer noch viel zu viele. Oligarchen haben oft ihr eigenes Institut, als privaten Bankomaten. Der Reformbedarf ist also riesig. Da brauchen wir Häuser wie Raiffeisen, auch, um gute westliche Praxis vorzuzeigen.

Wie ist der Verhandlungsstand?

Wir wollen vor Jahresende unterschreiben. Ob der Anteil 25 Prozent sein wird, ist noch offen.

Sie haben zusammen mit dem US-Fonds Advent das Hypo-Netzwerk in Südosteuropa gekauft und halten jetzt 20 Prozent. Ein großer Teil der faulen Kredite ging zur Bad Bank Heta. Was sind Ihre Erwartungen?

Das Potenzial ist da, sonst hätten wir uns nicht beteiligt. Die Kreditklemme ist auf dem Balkan ein großes Problem. Der Anteil an faulen Krediten ist sehr hoch, oft weit über 20 Prozent. Das hat die Banken sehr zurückhaltend gemacht. Bei der Hypo ist die Rate jetzt zwölf Prozent, damit kann sie leichter Kredite vergeben als andere. Sie hat ein sehr dichtes Filialnetz und erstaunlich viele Kunden, über eine Million – die sind ihr treu geblieben. Das macht sie wichtig für das Wachstum in der Region, vor allem für kleinere Unternehmen.

Haben Sie versteckte Leichen gefunden? Sie halten noch 2,2 Mrd. als Pfand zurück. Werden wir Österreicher das Geld sehen?

Als Käufer haben wir natürlich alles genau geprüft. Und wir halten das Institut für rentabel.

In Ungarn haben Sie im April Premier Orbán zu einer Senkung der Bankenabgabe bewegt . . .

Ich bin ich sehr froh über die Einigung. Aber wir müssen wachsam bleiben. Um die Banken gibt es in Ungarn immer ein riesiges politisches Tauziehen.

Im Gegenzug beteiligen Sie sich mit dem Staat an der ungarischen Erste-Tochter. Ab wann?

Auch hier sollte es bis Jahresende klappen.

Wie lang wollen Sie den 15-Prozent-Anteil halten?

Nicht für immer. Als Entwicklungsbank sind wir nur ein Katalysator. Wann wir den Anteil abgeben, hängt von der Performance ab.

Was wollen Sie mir Ihrem Engagement in Ungarn bewirken?

Wir wollen bei den internationalen Investoren wieder Vertrauen schaffen – indem wir zeigen, dass die Ungarn bereit sind, ihre Politik und ihre Gesetze zu ändern.

Zur Person

Sir Suma Chakrabarti (56) ist seit Mai 2012 der Präsident der Osteuropabank EBRD in London. Der gebürtige Inder studierte in Oxford und Sussex. Er arbeitete in der Entwicklungshilfe und übernahm hohe Positionen im britischen Finanz- und im Justizministerium.

Die EBRD (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) wurde 1991 gegründet, um die Länder Osteuropas bei ihrem Übergang zur Marktwirtschaft zu unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2015)

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