„Russland-Embargo trifft Osteuropa kaum“

(c) Stanislav Jenis (Stanislav Jenis)
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Seit über einem Jahr belegen sich Russland und die EU mit Embargos. Dem Aufschwung in Osteuropa tat das aber keinen Abbruch.

Wien. Fleisch, Milch, Obst oder Gemüse. Seit rund einem Jahr untersagt Russland die Einfuhr dieser Produkte aus der Europäischen Union. Damit reagiert die Regierung von Wladimir Putin auf die von Brüssel verhängten Sanktionen. Letztere – vor allem der erschwerte Zugang zu Finanzierungen – sorgten seither ebenfalls für einen deutlichen Rückgang von Importen wie Maschinen aus der EU nach Russland.

Darüber, wie stark sich diese Sanktionen auf Länder wie Österreich oder Deutschland auswirken, wird unter den Ökonomen schon länger gestritten. Für Osteuropa kommt Grzegorz Sielewicz, der Chefökonom für Zentraleuropa des französischen Kreditversicherers Coface, nun zu einem überraschenden Ergebnis: „Die Auswirkungen der Embargos sind nicht so groß. Die Firmen waren sehr flexibel, wenn es darum ging, andere Absatzmärkte zu finden. Osteuropäische Firmen sind nun etwa verstärkt in Asien oder Südamerika aktiv“, sagt Sielewicz im Gespräch mit der „Presse“.

Wachstumsschwäche ist vorüber

Coface hat sich in einer Studie die Entwicklung der 500 größten Unternehmen in Mittelosteuropa angesehen. Dies ist insofern bedeutsam, da die Wirtschaft in diesen Ländern noch wesentlich konzentrierter ist. So gibt es zwar neun Millionen Unternehmen in Mittelosteuropa, die 500 größten davon sind jedoch für mehr als die Hälfte des gesamten Bruttoinlandsprodukts verantwortlich. „Die Entwicklung dieser Großunternehmen ist daher auch repräsentativ für die Entwicklung der gesamten Region“, so Sielewicz. Die anderen Unternehmen laufen sozusagen nach.

Und die Entwicklung dieser Unternehmen zeigt auch, dass die gesamte Region die vorübergehende Wachstumsschwäche der Jahre 2012 und 2013 bereits seit dem Vorjahr hinter sich lassen konnte. In Summe legten die Top-500-Unternehmen bei ihrem Umsatz um 2,1 Prozent zu. Das Bruttoinlandsprodukt der Region wuchs mit 2,5 Prozent sogar noch etwas stärker. Heuer soll sich das Wachstum erneut beschleunigen. „Für 2015 erwarten wir für die gesamte Region ein Wachstum von 2,8 Prozent“, heißt es bei Coface.

Arbeitslosigkeit ist sehr niedrig

Zwei Gründe seien für die wieder steigenden Wachstumsraten der Region verantwortlich, sagt Sielewicz. Einerseits hat in wichtigen Exportmärkten in der Eurozone (beispielsweise Deutschland) ebenfalls eine Erholung eingesetzt. Zweitens läuft es in den großen Ländern wie Polen und Rumänien, wo die Wirtschaft zu mehr als der Hälfte bereits von der Inlandsnachfrage abhängig ist, wesentlich besser. „Die Arbeitslosigkeit in der gesamten Region ist auf dem niedrigsten Stand seit sechs Jahren. Das sorgt dafür, dass der Konsum nach oben geht.“

Für österreichische Firmen wäre es daher wohl auch sinnvoll, das Augenmerk wieder verstärkt auf Osteuropa zu richten, sagt Christian Berger, Country-Manager für Österreich bei Coface. „Nicht zuletzt, weil andere Boomregionen wie China oder Brasilien derzeit Probleme haben.“ Zudem würden sich die Möglichkeiten für heimische Firmen in Osteuropa auch ändern. So seien immer mehr osteuropäische Unternehmen mit Qualitätsprodukten auf dem Weltmarkt aktiv, weshalb es für heimische Firmen auch zunehmend interessant werden kann, als Zulieferer tätig zu sein.

Zahlungsausfälle sind im Geschäft mit Osteuropa naturgemäß weiterhin ein Thema. Allerdings sei auch hier nicht jedes Land gleich. Wie im Westen gäbe es ein Nord-Süd-Gefälle, so Berger. „Wenn man Zentraleuropa mit Italien vergleicht, dann gibt es dort Länder, die wesentlich besser sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2015)

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