Linzer Pötsch beerbt Piëch bei VW

(c) APA/EPA/BERND WEISSBROD (BERND WEISSBROD)
  • Drucken

Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch soll Chef des Aufsichtsrates werden. Der Österreicher ist hoch angesehen. Die Familien Porsche und Piëch begraben ihr Kriegsbeil.

Wien/Wolfsburg. Nach Monaten der Ungewissheit fallen beim zweitgrößten Autobauer der Welt die Personalentscheidungen nun Paukenschlag auf Paukenschlag. Am Mittwoch wurde das Mandat von Martin Winterkorn als Konzernchef um zwei Jahre verlängert, bis Ende 2018. Am Donnerstag schlugen die Vertreter der großen Eigentümer den bisherigen Finanzvorstand, Hans Dieter Pötsch, als Chef des Aufsichtsrates vor. Formell soll ihn eine außerordentliche Hauptversammlung im November bestellen. Damit tritt der 64-jährige Oberösterreicher das Erbe des Patriarchen Ferdinand Piëch an, der im April einen Machtkampf gegen Winterkorn verloren hatte und daraufhin den Posten als Chefkontrolleur räumen musste.

Lange hatte sich genau die umgekehrte Konstellation abgezeichnet. Denn der ursprüngliche Plan war, dass Winterkorn seine Managerkarriere als Aufsichtsratschef beendet. Für diesen Fall rechneten Insider dem hoch angesehenen Finanzchef Pötsch die besten Chancen aus, die operative Führung übernehmen zu können.

Warum wurde dieses Szenario nun – zumindest vorerst – auf den Kopf gestellt? Vielleicht deshalb, weil Pötsch Qualitäten mitbringt, die ihn stärker für den Aufsichtsrat als für die Konzernleitung prädestinieren: Er gilt als nüchterner, umsichtiger Zahlenmensch und scheut die Öffentlichkeit ebenso wie großes Risiko. Eines hat Pötsch mit seinem Vorgänger Piëch auf jeden Fall gemein: Er kommt aus Österreich. Genauer aus Traun bei Linz. In die Volksschule ging er mit Josef Pühringer. Der heutige Landeshauptmann beschrieb ihn im „Format“ als „bescheidenen Typ, die Seriosität in Person“. Er besuchte Gymnasium und HTL in Linz und ließ sich an der TU Darmstadt zum Wirtschaftsingenieur ausbilden. Ins Berufsleben stieg er bei BMW ein, dem großen Rivalen von Volkswagen.

Nach einer steilen Karriere bis an die Spitze des Konzerncontrollings wechselte Pötsch zu typischen Juwelen des deutschen Mittelstands, den schwäbischen Maschinenbauern Trumpf und Traub. Sein wahres Gesellenstück aber lieferte er als Vorstandschef der Dürr AG. Durch erfolgreiche strategische Akquisitionen erhöhte er den Umsatz des im MDAX gelisteten Autozulieferers zwischen 1995 und 2001 von 752 Mio. auf 2,2 Mrd. Euro – ohne viel Aufhebens, unauffällig und im Stillen, wie das „Manager Magazin“ schrieb. Bis ihn der damalige VW-Chef Bernd Pischetsrieder, der schon als Produktionschef bei BMW ein Auge auf ihn geworfen hatte, in den Vorstand von Volkswagen holte.

Audi-Chef Stadler als Finanzer?

Dort erwarb sich der mit einer Steirerin verheiratete Vater zweier Kinder bald den Ruf eines idealen Finanzchefs – eine Funktion, die er 2009 auch für die Porsche Holding der VW-Mehrheitseigner übernahm. Unter seiner Ägide erfolgte die heikle Integration des Sportwagenbauers Porsche in den Konzern sowie die Übernahme der Nutzfahrzeughersteller Scania und MAN.

Als sein Nachfolger als Finanzer ist laut Reuters nun Audi-Chef Rupert Stadler im Gespräch. Wolfgang Porsche betonte für die Eigentümer, dass der neue Chefkontrolleur „das uneingeschränkte Vertrauen des gesamten Aufsichtsrats der Porsche SE“ besitze – also auch des grollenden Patriarchen Piëch. Das sieht nach einem Friedensschluss der beiden Familien aus. Eines bleibt freilich offen: Ob Pötsch ein Mann des Übergangs bleibt, weil Winterkorn nach seiner verlängerten Zeit als Konzernchef doch noch Ambitionen hat, die Kontrolle zu übernehmen. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

FILE GERMANY VOLKSWAGEN
International

VW: Österreicher Pötsch soll Piechs Nachfolger werden

Ferdinand Piech war vor vier Monaten im Machtkampf mit Konzernchef Martin Winterkorn zurückgetreten. Sein Nachfolger Hans Dieter Pötsch kommt aus Traun und ist derzeit VW-Finanzvorstand.
Chairman of the Vorstand of Volkswagen Martin Winterkorn opened new communication platform Volkswage
International

VW-Chef soll bis Ende 2018 bleiben

Erst hat Martin Winterkorn den Machtkampf gegen Patriarch Piëch gewonnen, nun wird sein Vertrag verlängert. Seine Chancen auf den Aufsichtsratsvorsitz schwinden damit aber.
Deutschland Neckarsulm 22 05 2015 Prof Dr Martin Winterkorn Vorsitzender des Aufsichtsrats der
International

Volkswagen: Winterkorns Zukunftspläne

Vorstandschef Martin Winterkorn will den Konzern schlanker aufstellen. Dafür ist er sogar bereit, selbst Macht abzugeben. Selbstlosigkeit ist dabei aber nicht sein Motiv.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.