Berliner Flughafen: "Opa glaubt, dass er den Start nicht erlebt"

Zuschauer blicken durch eine Glasscheibe in das Terminal des Flughafen Berlin Brandenburg BER beim K
Zuschauer blicken durch eine Glasscheibe in das Terminal des Flughafen Berlin Brandenburg BER beim K(c) imago/Martin M�ller (imago stock&people)
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Der neue Berliner Hauptstadtflughafen hätte schon vor Jahren eröffnet werden sollen. Eine Reise durch ein Areal, das längst fertig aussieht.

Nils und Fenja stehen auf einer Aussichtsplattform. Ihr Blick schweift über die ebene Landschaft. Er trifft auf eine Landebahn, Straßen, Wiesen, Parkhäuser und eine ziemlich große Abflughalle. Unten auf dem Boden sieht alles ganz normal aus. Mit einer Einschränkung: Es tut sich nicht viel. Weit und breit keine Menschenseele, auch von Fahrzeugen fehlt jede Spur. Der Ort, an dem Nils und Fenja sind, wird bald mit viel Leben gefüllt sein. 2017 soll es so weit sein.

Die beiden Geschwister befinden sich auf einer Besichtigungstour durch den neuen deutschen Hauptstadtflughafen – Berlin Brandenburg sein Name. Die Führung für einen Preis von zehn Euro haben sie ihrem Opa geschenkt. „Großvater glaubt, dass er die Fertigstellung nicht mehr erleben wird. Deswegen sind wir hier.“ Opa hat vielleicht allen Grund zu dieser Sorge. Er ist 81 Jahre alt.

Der BER, wie seine internationale Abkürzung lautet, zählt zu den größeren Skandalprojekten in der jüngeren Geschichte der deutschen Bundesrepublik. Nicht nur, weil die Inbetriebnahme des Flughafens bereits für das Jahr 2011 anberaumt war. Sondern auch, weil die Kosten von zwei auf mittlerweile über sechs Milliarden Euro explodiert sind.

„Wir leben hier um die Ecke“, sagt die 19-Jährige. Die Einflugschneise soll über ihr Wohngebiet gehen. Am Anfang gingen sie und ihr Bruder gegen den Hauptstadtflughafen auf die Straße. So wie sie hatten damals viele gegen das Großprojekt demonstriert. 1470 Hektar umfasst das Areal – das wären 2000 Fußballfelder. Fenja und Nils haben die Demos irgendwann bleiben lassen – und den BER in ihrer Nähe akzeptiert.


Dilemma Brandschutz. Die Tour durch das Gelände wird an diesem Tag von Sandra geleitet. Sie arbeitet bereits seit zweieinhalb Jahren in der Marketingabteilung des BER. 30 Personen haben sich diesmal zu der Führung versammelt. Neben dem Geschwisterpaar sind Mütter mit ihren Kindern, Ehepaare und Pensionisten dabei. Wenn der BER eines Tages in Betrieb geht, sollen jährlich bis zu 27 Millionen Passagiere abgefertigt werden, erklärt Sandra vor einer großen Info-Tafel. Dann wird auch der Berliner Flughafen Tegel im Nordwesten der Stadt dichtgemacht. Jahrelang wurde auf dem Airport aus den 1970er-Jahren nichts mehr investiert. Für notwendige Instandhaltungsarbeiten an dem chronisch überlasteten Gebäude mussten nun aber 19 Millionen Euro lockergemacht werden.

Der zweite Berliner Flughafen, Schönefeld, muss wiederum wegen der Fehlplanungen am BER länger in Betrieb bleiben. Die Kapazitäten wurden schlichtweg falsch berechnet. Der BER ist zu klein. Er kann nur 27 Millionen Passagiere fassen. Für 2017, dem Jahr der anberaumten Eröffnung, wird in Berlin aber die Ankunft von 33 Millionen Gästen erwartet.

Bis der neue Hauptstadtflughafen eröffnen kann, ist jedoch noch einiges zu tun. Vor allem die Brandschutzanlage bereitet den Planern seit Jahren die größten Sorgen. „Die Fluchtwege müssen für die Dauer von 15 Minuten rauchfrei sein“, sagt Sandra. Doch das Problem bekommt man nach wie vor nicht so richtig in den Griff. Neben den Ausführungsfehlern bei der Brandschutzanlage kam es in der Vergangenheit auch zu einer Überbelegung von Kabelstraßen. „Stromkabel wurden einfach mit Datenkabeln zusammengelegt. Das dürfte aber nicht sein“, erklärt Sandra. Schon gar nicht, wenn dies die Überprüfung von Anschlüssen mit einer Länge von 4000 Kilometern zur Folge hat.


Kriminalkomödie. Doch das ist nicht alles, womit die Öffentlichkeit beim BER in all den Jahren konfrontiert war. Die Historie des Großprojektes liest sich wie eine schlechte Kriminalkömodie. Da gab es einen Technikchef, der sich wegen versuchten Betrugs und Bestechung schnell wieder nach einem neuen Job umsehen musste. Oder den Planer, der sich als Ingenieur ausgegeben hatte, in Wirklichkeit aber gar keiner war. Erst vor wenigen Wochen haben der deutsche Siemens-Konzern und die Flughafengesellschaft die Staatsanwalt eingeschaltet, weil überhöhte Rechnungen ausgestellt und bezahlt wurden. Zuletzt ging auch noch die für die Elektroarbeiten zuständige Bautechnikfirma pleite. Viel gibt es da nicht zu lachen.

Gearbeitet wird freilich weiterhin mit Hochdruck. Irgendjemand muss die Fehler reparieren. Es wird gebohrt und gehämmert. Männer mit Schutzhelmen und Warnwesten bewegen sich durch die so gut wie fertig aussehende Abflughalle. Die Check-in-Schalter wurden mit echtem Nussbaumholz verkleidet, der Boden glänzt in schönem Beige. Trotz einer tausende Quadratmeter großen Glasfläche gibt es keine direkte Sonneneinstrahlung. Das ist jedoch so gewollt, erklärt Sandra. Hell genug ist es schließlich auch so. Damit es nicht nur innen, sondern auch außen edel aussieht, wurde auf der anderen Straßenseite ein Steigenberger-Hotel gebaut.

Dieses ist schlüsselfertig, wartet aber wie auch die Fluggesellschaften bereits seit Jahren auf die Inbetriebnahme des Standortes. Damit die Einrichtung nicht verstaubt, muss sich das Personal um die Reinigung der Zimmer kümmern. Den Wasserhahn dreht man ebenfalls regelmäßig auf.

Dass hier seit Jahr und Tag alles bereitsteht, ist auch an den unzähligen Pkw-Parkflächen rund um den Airport zu erkennen. Wenn nicht das Unkraut wäre, das sich im Lauf der Zeit schon seinen Weg zwischen die Steinplatten gebahnt hat.

Rund eine Million Euro am Tag kostet der Stillstand am BER, der eigentlich keiner ist. „Es bleibt uns nur übrig, das alles mit Humor zu nehmen“, sagt ein älteres Ehepaar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2015)

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