Geldpolitik: Im Euroraum bleiben die Zinsen tief

OENB-KONFERENZ - INVESTITIONSFINANZIERUNG: NOWOTNY
OENB-KONFERENZ - INVESTITIONSFINANZIERUNG: NOWOTNY(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Während die Zinswende in den USA unmittelbar bevorsteht, deutet OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny im „Presse“-Interview eine Verlängerung der lockeren EZB-Geldpolitik an.

Wien. Während die US-Notenbank Fed demnächst (möglicherweise schon morgen, Donnerstag) die Zinswende einleiten wird, dürfte die Europäische Zentralbank die geldpolitischen Zügel noch lange sehr locker halten. OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny, der für Österreich im EZB-Rat sitzt, sagte im Gespräch mit der „Presse“, das Anleihenankaufprogramm der EZB werde wie geplant bis zum September 2016 durchgezogen. Möglicherweise werde es sogar ausgeweitet oder verlängert. Grund dafür ist, dass sich die Konjunktur schlechter als erwartet entwickelt, wodurch sich die „Annäherung an den Zielwert (knapp zwei Prozent Inflation, Anm.) deutlich verlangsamt hat“.

Wie berichtet hat die EZB ihren Leitzinssatz auf 0,05 Prozent gesenkt und versucht gleichzeitig, mit einem Staatsanleihenankaufprogramm über insgesamt 1120 Mrd. Euro Geld in die schwächelnde Wirtschaft zu pumpen und die Inflationsrate auf den angepeilten Zielwert von knapp zwei Prozent zu heben. Bei dieser Marke herrscht nach EZB-Definition „Preisstabilität“.

Weder Kreditvergabe noch Inflation kommen aber so richtig in Schwung. Im Gegenteil: Die Inflationsrate ist im Euroraum zuletzt auf 0,2 Prozent gefallen. In den nächsten Monaten dürfte das Verbraucherpreisniveau sogar sinken, sodass für das Gesamtjahr nur eine Euro-Inflationsrate von 0,1 Prozent zustande kommt. Das sei „ein großes Problem für die EZB“.

Schuld daran ist, so der Notenbank-Gouverneur, eine relativ dramatische Verschlechterung der Wirtschaftsaussichten in wichtigen Schwellenländern: „Das Problem ist nicht so sehr China, sondern Länder wie Brasilien.“ Eine durch die Schwellenländer ausgelöste Abschwächung des Welthandels habe aber direkte negative Auswirkungen auf die exportorientierte Wirtschaft der Eurozone, weshalb der Aufschwung hier „schwächer als erwartet“ ausfällt. Wenn die Exportdynamik nachlasse, dann könne die Konjunktur nur noch vom Konsum getragen werden, meint der Notenbank-Gouverneur. Dazu sei allerdings die Lohndynamik in der Eurozone zu gering.

Ein Anziehen der geldpolitischen Zügel komme in einer solchen Situation nicht infrage. Eher das Gegenteil. Nowotny bestätigt im „Presse“-Gespräch, dass eine Verlängerung des Ankaufprogramms beziehungsweise eine Ausweitung durchaus denkbar sei, will aber keine Details verraten.

Experten gehen davon aus, dass eine solche durch eine Ausweitung auf weitere Assetklassen geschehen könnte. Ursprünglich war die geldpolitische Lockerung als reines Staatsanleihenankaufprogramm konzipiert, in der Zwischenzeit kauft die EZB aber auch schon Anleihen von Unternehmen mit Staatsgarantien an. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg hat die EZB zu ihrer möglichen Einkaufsliste unter anderem Unternehmensanleihen der ÖBB Infrastruktur AG, der Asfinag, der französischen und italienischen Staatsbahn, aber auch Energieversorger wie die italienische Enel hinzugefügt. Möglicherweise könnte das Ganze auf Corporate Bonds aus weiteren Bereichen ausgeweitet werden.

Ausflug in Corporate Bonds

Notwendig könnte der Ausflug in Corporate Bonds unter anderem deshalb werden, weil der Markt für Staatsanleihen durch die hohen Ankaufsvolumina der Euro-Notenbank schon relativ ausgetrocknet ist. Die EZB hatte ihr Ankaufsvolumen zuletzt ausgeweitet, insgesamt umfasst es bereits 314 Mrd. Euro.

Nowotny konzediert, dass die Notenbank mit ihrem Quantitative-Easing(QE)-Programm das angepeilte Inflationsziel bisher verfehlt hat, will allerdings nicht von einem Misserfolg sprechen. Das Ankaufsprogramm habe „eine Reihe positiver Effekte“ gehabt. Und dass das Notenbank-Geld nicht in die Wirtschaft, sondern eher in den Finanzmarkt geflossen sei, sei auch nicht so negativ zu sehen: „Ein Anstieg der Aktienkurse hat auch einen positiven konjunkturellen Effekt.“ Dies gelte vor allem für die USA. In Europa war der Effekt, ein stärkeres Absinken in den Deflationsbereich zu verhindern, sagte er.

Wenn die US-Notenbank Fed jetzt mit Zinsanhebungen beginnt, dann wird die Zinsdifferenz bis zum Ende des EZB-Programms in mehreren Schritten deutlich ansteigen. Ist das ein Problem? „Der erste Schritt hat nur symbolischen Charakter“, meint Nowotny. Aber es sei natürlich ein Signal, das mittelfristig Auswirkungen habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)

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