USA. Fed-Chefin Yellen spricht sich ausdrücklich für eine Zinserhöhung noch in diesem Jahr aus. Rückenwind kommt aus der US-Konjunktur.
Wien/Washington. Kurze Aufregung im voll besetzten Hörsaal der Universität von Massachusetts: Nach einer Stunde Redezeit begann Fed-Chefin Janet Yellen zu husten, hielt inne und sagte: „Lassen Sie mich hier aufhören.“ Der Schwächeanfall der mächtigsten Notenbankerin der Welt währte aber nicht lang. Notfallmediziner untersuchten die 69-Jährige, ein Sprecher erklärte: Sie sei nur dehydriert und von einem langen Arbeitstag überanstrengt gewesen. Am Dinner nahm Yellen wieder teil.
Mehr Kopfzerbrechen verursachten wieder einmal die vagen Aussagen der US-Zentralbankchefin zur Zinswende. Immerhin stellten die routinierten Orakeldeuter eine Nuance fest: Vor einer Woche, bei der Septembersitzung der Fed, hatte sie eine Zinswende noch in diesem Jahr nur als Mehrheitsposition im geldpolitischen Ausschuss dargestellt. Nun hat sie sich selbst ausdrücklich dazu bekannt, dass noch vor Jahresfrist die Leitzinsen erstmals seit der Finanzkrise erhöht werden sollen.
Denn die Binnenkonjunktur sei solide genug, um die Schwäche in China wegzustecken. Ob es aber im Oktober oder erst im Dezember so weit sein soll, blieb weiter offen. Und natürlich hänge alles weitere von der Entwicklung der US-Wirtschaft ab. Von dieser Front aber kommen positive Signale: Im zweiten Quartal ist das amerikanische BIP stärker gewachsen als bisher angenommen: um hochgerechnet 3,9 statt 3,7 Prozent.
Der Grund für die nötige Revision: Die Konsumausgaben, die für zwei Drittel der ökonomischen Aktivität sorgen, legten kräftiger zu als gedacht. Für den zusätzlichen Rückenwind sorgten niedrige Benzinkosten und steigende Hauspreise, durch die sich die Besitzer zumindest reicher fühlen dürfen.
Zudem hatte der Lageraufbau einen geringeren Anteil als in der ersten Berechnung. Solche Entwicklungen sind auch ein gutes Zeichen für das dritte Quartal. Zwar dürfte sich die Dynamik über den Sommer abgeschwächt haben, aber eben weniger deutlich als bisher angenommen.
Die beiden Faktoren – Yellens subtiles Signal und die nach oben revidierten Konjunkturdaten – sorgten in der Kombination am Freitag für eine spürbare Reaktion der Märkte. Deren Akteure gehen nun doch wieder von einer baldigen Zinserhöhung aus. Der Dollar stieg auf ein Fünf-Wochen-Hoch. Auch die Renditen der US-Staatsanleihen gingen durch sinkende Kurse in die Höhe. Unter Druck gerieten die Preise von Gold und Silber – höhere Zinsen dämpfen die Furcht der Anleger vor Inflation, damit verlieren Edelmetalle als Absicherung an Attraktivität. (ag)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2015)