American Apparel: Die Pleite des Hipster-Magneten

(c) Bloomberg (JB Reed)
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Die einstige Kultmarke aus den USA steht am Abgrund. Gründer Dov Charney fehlte zuletzt das Gespür für Anstand – und für den Markt. Damit ist er nicht allein.

New York. „Bad Daddy“ – so hat sich der Gründer und langjährige Chef von American Apparel, Dov Charney, selbst gern genannt. Angesichts der jetzigen Probleme der US-Modekette erhält dieser immer schon etwas zweifelhafte Spitzname eine ganz neue Bedeutung. American Apparel ist pleite und hat am Montag Gläubigerschutz beantragt. Die Filialen sollen während des geplanten Konzernumbaus – vorerst – weiterbetrieben werden. In Österreich hat American Apparel nur eine Filiale, in der Wiener Mariahilfer Straße.

Der exzentrische Hausherr Charney musste American Apparel bereits im vergangenen Jahr verlassen, nachdem wenig PR-trächtige Geschichten über ihn die Runde gemacht hatten. So soll er regelmäßig in Unterhosen durch die Firma spaziert sein. Mehrere Mitarbeiterinnen haben ihn der sexuellen Belästigung bezichtigt, auch rassistische Bemerkungen ließ er vom Stapel.

Damit weist seine Geschichte auffallende Parallelen zu Mike Jeffries auf, dem ebenso umstrittenen Chef der einstigen US-Kultmarke Abercrombie Fitch, der ebenfalls vergangenes Jahr seinen Hut nehmen musste. Jeffries war unter anderem durch die Aussage unangenehm aufgefallen, dass seine Mode nur etwas für „gut aussehende Menschen“ sei. Auch Abercrombie kämpft mit sinkenden Verkaufszahlen, ebenso die US-Ketten Gap, Banana Republic und Old Navy.

Kein Alleinstellungsmerkmal

Abgesehen vom Imageproblem ihrer (Ex-) CEOs haben US-Modeketten vor allem das Problem, dass sie an den Bedürfnissen der Kunden vorbeiproduzieren. American Apparel hat seit 2009 keinen Gewinn mehr gemacht, der Unternehmenswert sackte in diesem Zeitraum von 540 auf etwa 20 Mio. Dollar. Im heurigen zweiten Quartal stieg der Verlust von 16,2 auf 19,4 Mio. Dollar (17,2 Mio. Euro). Der Umsatz sank um 17,2 Prozent auf 134,4 Mio. Dollar (121,4 Mio. Euro).

American Apparel begründete dies unter anderem damit, dass es keine neuen Styles für die Frühjahr- und Sommersaison angeboten habe. Genau hier liegt das Problem. Dem Modekonzern fehlt schon seit Längerem das Alleinstellungsmerkmal. Für die relativ schlichten, wenig variationsreichen sportlichen Basics, die die US-Kette hauptsächlich anbietet, schwinden die Abnehmer angesichts Billigketten wie H&M oder Forever 21, die Ähnliches zu billigeren Preisen und in rascher wechselnden Kollektionen verkaufen. Die etwas anspruchsvolleren Hipster, die American Apparel in seinen guten Zeiten zu ihrer Hausmarke erklärt hatten, sind mittlerweile auch abgewandert, zu Marken, die ausgefallenere Designs anbieten und/oder nachhaltiger produzieren.

Arbeiter ohne Arbeitserlaubnis

Im Jahr 2003, als American Apparel gegründet wurde und sich Billigketten wie H&M, Zara oder C&A noch nicht dieses Themas angenommen hatten, konnte man mit Nachhaltigkeit noch punkten. Charney ließ die Kleidung in Los Angeles produzieren, bezahlte seine Arbeiter über dem Mindestlohn und verwendete Biobaumwolle. „Designed and sewed in the US“ wurde zum Qualitätssiegel der Marke. Das Unternehmen expandierte rasant, 2006 folgte der Börsengang.

Doch Skandale ramponierten das zuvor sorgsam aufgebaute Image. Immer wieder gab es in den Fabriken Probleme mit illegaler Beschäftigung. 1500 Arbeiter mussten 2010 wegen fehlender Papiere gekündigt werden. Auch im Marketing agierte man unprofessionell. Wegen seiner teilweise sexistischen Sujets ohnehin schon in Verruf, verwendete der Konzern 2009 einen Ausschnitt aus Woody Allens Film „Annie Hall“ für eine Kampagne, ohne den Regisseur zu fragen – und musste Allen 3,9 Mio. Euro Schadenersatz zahlen.

Noch Anfang Juni dieses Jahres hatte American Apparel angekündigt, Filialen zu schließen und Personal abbauen zu wollen. Ob die angekündigte Restrukturierung die 227 Filialen und rund 9000 Mitarbeiter jetzt retten wird, hängt wesentlich von den Gläubigern ab. Mit 95 Prozent von ihnen konnte sich der Konzern einigen, die Schulden um in Summe mehr als die Hälfte auf 135 Mio. Dollar (121 Mio. Euro) zu senken.

Damit und mit 90 Mio. Dollar frischem Kapital sei die Trendwende erreichbar, sagte Firmenchefin Paula Schneider am Montag. Viel Zeit bleibt ihr nicht. In nur sechs Monaten wollen die Gläubiger wieder schwarze Zahlen sehen. [ Bloomberg ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2015)

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