TPP: Feinschliff an Obamas Denkmal

(c) AFP (PETER PARKS)
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Mit dem transpazifischen Handelsabkommen versucht Washington, zwei widersprüchliche Ziele zu erreichen: China zu bremsen und zur Zusammenarbeit zu bewegen.

Washington. Rinderzüchter in Wyoming, Arzneimittelhersteller in Princeton, Gewerkschaftsfunktionäre, Autokonzernchefs, Tierschützer, Tabaklobbyisten und die Assistenten hunderter US-Kongressmitglieder werden die nächsten Monate mit dem angestrengten Grübeln darüber verbringen, was die Einigung der Handelsminister von zwölf Staaten beiderseits des Pazifischen Ozeans für ihre jeweiligen Spezialinteressen bedeuten wird.

Denn auch wenn von vielen Seiten bereits vor der montäglichen Übereinkunft in Sachen der Trans-Pacific Partnership (TPP) mit allerlei Prognosen hantiert wurde: Seriös kann derzeit niemand beurteilen, welche Auswirkungen dieses Handelsabkommen haben wird, das neue Regeln für zwei Fünftel des weltweiten Austausches von Waren und Dienstleistungen einzuführen verheißt.

Denn der gesamte Text des Abkommens, an dem man in unterschiedlichen Formen und mit unterschiedlichen Teilnehmerzahlen seit Anfang 2008 verhandelt hat, wird erst in einem Monat veröffentlicht werden. Diese Details werden entscheiden, welche Industriezweige sich infolge des Wegfalls von Einfuhrzöllen, Quoten und regulatorischen Vorschriften verstärkt in diesem oder jenem der TPP-Mitgliedstaaten niederlassen beziehungsweise bisherige Fertigungsanlagen stilllegen.

Die Wirkmacht des Kleingedruckten in Handelsabkommen zeigt sich am klarsten am Beispiel der Automobilindustrie. Damit ein Auto nach den geltenden Regeln von Nafta, dem North American Free Trade Agreement zwischen den USA, Kanada und Mexiko, als „nordamerikanisch“ gilt und von Zöllen befreit auf den Markt kommen kann, müssen in Nordamerika hergestellte Einzelteile mindestens 55 Prozent vom Nettowert des Kraftfahrzeuges ausmachen. Damit soll verhindert werden, dass Fords, Chryslers oder GMs billig in China hergestellt und mit dem Prädikat „Made in USA“ verkauft werden. Anders ausgedrückt: in einem „amerikanischen“ Auto dürfen höchstens 45 Prozent China sein.

Einfluss auf EU ungewiss

Nach den TPP-Vorschriften jedoch müssen nur 45 Prozent der Bestandteile eines Autos in einem der TPP-Staaten erzeugt worden sein, damit das Fahrzeug in den Genuss einer Zollbefreiung kommt. Das ärgert die US-Gewerkschaften, die eine weitere Abwanderung von Kfz-Herstellern befürchten. Wie das Verhältnis zwischen den beiden Regeln gelöst wird, kann sich erst nach akribischem Studium des gesamten TPP-Textes erhellen.

Insofern sind Prognosen wie jene des Finanzforschers Peter A. Petri von der Brandeis University, derzufolge der Europäischen Union durch TPP bis zum Jahr 2025 jährlich zwischen 1,1 und 4,9 Milliarden Dollar (4,4 Milliarden Euro) verlustig gingen, mit Vorsicht zu genießen. Diese Studie ist zwei Jahre alt, allein die Schwankungen von Euro, Dollar und Yen verwischen diese Effekte stark. Welche Auswirkung der Abschluss von TPP auf die schiffbrüchigen Verhandlungen zwischen EU und USA über das Handelsabkommen TTIP hat, ist derzeit ebenfalls unklar.

Der Vorwurf, Währungen zur Förderung der eigenen Exportindustrie künstlich zu drücken, überschattete die TPP-Verhandlungen. Für dieses Problem schafft TPP ein ständiges Forum, in dem sich die Finanzminister der zwölf Staaten (USA, Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, und Vietnam) austauschen sollen.

US-Kongress ist nun am Zug

US-Präsident Barack Obama hofft, dass TPP als Errungenschaft seiner Ära in die Geschichte eingeht. Doch er verfolgt damit zwei einander widersprechende Ziele: Er möchte China zu einem Handelsabkommen einladen – und zugleich Standards gegen Dumping und andere schädliche Praktiken schaffen, deren sich China recht ungeniert bedient. Diesen Widerspruch wird Obamas Nachfolger oder Nachfolgerin zu lösen haben: Der US-Kongress dürfte erst im kommenden März oder April über TPP abstimmen, im November wird ein neuer Präsident gewählt.

Auf einen Blick

Die Trans-Pacific Partnership (TPP) ist ein Abkommen, das den Handel zwischen den USA, Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, und Vietnam erleichtern soll. Am Montag einigten sich die Verhandler dieser zwölf Staaten. Der Text muss nun von ihren Parlamenten angenommen werden. Der US-Kongress wird voraussichtlich im März oder April darüber abstimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2015)

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