Nur wenige Mitarbeiter seien an den Software-Manipulationen beteiligt gewesen, sagte der neue VW-Chef Müller. Drei verantwortliche Entwicklungsvorstände seien bereits beurlaubt.
Volkswagen will die vom Abgas-Skandal betroffenen Diesel-Fahrzeuge ab Beginn kommenden Jahres in die Werkstätten zurückrufen. "Wenn alles läuft wie geplant, können wir im Jänner den Rückruf starten", sagte der neue Konzernchef Matthias Müller der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Bis Ende 2016 sollten dann alle Autos in Ordnung sein."
Das Unternehmen will in den nächsten Tagen Einzelheiten zur Umrüstung der manipulierten Diesel-Motoren nennen. Der deutsche Autobauer habe dem Kraftfahrtbundesamt seine Pläne vorgelegt und werde nach der Zustimmung der Behörde informieren, sagte ein VW-Sprecher am Mittwoch. Das werde bald geschehen.
"Wir brauchen tausende Lösungen"
Zuvor hatte VW-Chef Matthias Müller der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, dass für die meisten Motoren ein Update der Software in der lokalen Werkstatt genügen werde. "Manche Fahrzeuge könnten neue Injektoren und Katalysatoren brauchen". Die Entwicklung einer Lösung für die weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge, bei denen der Diesel-Motor vom Typ EA 189 eingebaut ist, ist aufwendig. "Es geht um den EA 189 in Kombination mit verschiedenen Getrieben und länderspezifischen Auslegungen", sagte Müller. "Wir brauchen also nicht drei Lösungen, sondern tausende." Bis Ende 2015 müsse die Software erst entwickelt und getestet werden. Nachbesserungen an Hardware-Komponenten der Fahrzeuge dürften sich den Insidern zufolge bis in die zweite Jahreshälfte hinziehen.
Offen ist bisher unter anderem, bei welchen Modellen ein Software-Update genügt und bei welchen tiefgreifendere Eingriffe nötig sind. Vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Lösungen an Bundesamt
Volkswagen hat zugegeben, millionenfach Fahrzeuge in den vergangenen Jahren mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Abgaswerte manipulieren kann. Allein in Europa sind acht Millionen Fahrzeuge davon betroffen, weltweit sind es bis zu elf Millionen. Der langjährige Vorstandschef Martin Winterkorn musste daraufhin seinen Sessel räumen.
In den USA sind 482.000 Fahrzeuge von den Manipulationen betroffen. Den Löwenanteil gibt es in Deutschland mit mindestens 2,8 Millionen. In Österreich werden 363.400 Fahrzeuge der Marken VW, Audi, Seat und Skoda sowie VW-Nutzfahrzeuge zurückgeholt werden müssen.
Zur Behebung des Schadens habe Volkswagen in dieser Woche dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt technische Lösungsvorschläge vorgestellt, sagte Müller. Er fügte hinzu, nach aktuellem Kenntnisstand seien an den Manipulationen nur wenige Entwickler in Wolfsburg beteiligt gewesen. Bisher seien vier Mitarbeiter beurlaubt, "davon drei Vorstände, die zu unterschiedlichen Zeiten Verantwortung für die Motorenentwicklung bei Volkswagen hatten", führte Müller aus. "Andere sind teils schon in Pension."
Aktionäre zu spät infomiert?
Für die Zukunft des Autobauers zeigte sich Müller dennoch optimistisch: "Volkswagen hat unverändert eine starke Substanz und deshalb beste Aussichten, in zwei bis drei Jahren wieder zu glänzen. In dieser Krise steckt die Chance, die Strukturen von Volkswagen zu reformieren", sagte er.
Auf die Frage, ob VW im Abgasskandal gegen die Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht verstoßen habe, sagte Müller: "Unsere Rechtsauffassung besagt, dass wir rechtzeitig informiert haben". VW hatte am 3. September 2015 gegenüber der amerikanischen Umweltbehörde die Manipulation eingestanden. Der Kapitalmarkt wurde erst zwei Wochen später informiert.
Müller hat das Engagement des Konzerns im Fußball infrage gestellt. "Wir drehen jeden Stein um und werden uns auch das ansehen", sagte der Nachfolger von Martin Winterkorn. Der Bundesligist VfL Wolfsburg wurde zur hundertprozentigen Konzerntochter und wird mittlerweile jährlich mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag unterstützt. Zudem ist VW über die Tochter Audi am FC Bayern München und dem FC Ingolstadt beteiligt. VW engagiert sich auch als Sponsor des DFB-Pokals und von insgesamt 16 Proficlubs in Deutschland.
Entschuldigungsbriefe an US-Kunden
Am Mittwoch soll der Aufsichtsrat den bisherigen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch zum Oberaufseher wählen. Zuvor muss Pötsch vom Amtsgericht Braunschweig noch zum Aufsichtsrat ernannt werden. Der 64-jährige Österreicher folgt damit dem Firmenpatriarchen Ferdinand Piech, der sich nach einem verlorenen Machtkampf mit Winterkorn im April von allen Ämtern im Konzern zurückgezogen hatte.
Der US-Chef von Volkswagen, Michael Horn, soll wegen des Skandals am 8. Oktober vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses aussagen. In den USA verschickte VW Entschuldigungsbriefe an die Kunden.
>> Artikel in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
(APA/Reuters)