VW-Dieselskandal: Trickserei mit System auch in Europa?

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VW Volkswagen imago/Jan Huebner
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Ohne die Schwindel-Software hätten die betroffenen Dieselautos nach der Abgasnorm Euro 5 möglicherweise keine Zulassung erhalten.

Den Ausgang hatte der Dieselskandal des VW-Konzerns in den USA genommen. Die Umweltbehörde EPA teilte am 18. September mit, dass knapp eine halbe Million Dieselautos bei VW mit einer verbotenen Software ausgestattetet sind, die es möglich machte die strengen US-Abgasregeln bei Tests einzuzhalten. Wenige Tage danach hatte der VW-Konzern eingestanden, dass weltweit elf Millionen Pkw, darunter die meisten in Europa, vom Schwindel betroffen sind.

Die Software sei in den vielen Autos einfach drin gewesen und hätte sich durch das VW-Baukastensystem einfach verbreitet, vermuteten Fachleute bislang. Bei VW gab es Menschen, die sagten: wir haben "einfach vergessen, sie wieder rauszunehmen“, schreibt die Süddeutsche Zeitung“.
Doch Nachforschungen der Zeitung zufolge ist das eine zu einfache Erklärung. Der Konzern soll auch in Europa seine Tricksereien mit System betrieben haben.

Komplexe Software in Europa

Die Erklärung dafür: Ohne die Software wären die betroffenen Autos nach der Abgasnorm Euro 5 vermutlich gar nicht zulassungsfähig gewesen. Die Software, die eine „Abschalteinrichtung“ initiiert, ist in Europa nicht erlaubt.
Inzwischen räumt der Konzern ein, dass "die Abgasnachbehandlung dort durch die Software offenbar gezielt zurückgefahren" wurde - und zwar "immer dann, wenn kein Prüfstand erkannt wurde", erklärt ein Sprecher. Die Motoren erkennen laut Konzern sogar den neuen europäischen Testzyklus (NEFZ) und können die Steuerung bei Überprüfungen umstellen.

Für europäische Dieselmodelle sollen immer wieder neue Betriebsprogramme in die Motorelektronik gepackt worden sein. Die Entwickler mussten Verbrennungssteuerung und Abgasrückführung exakt auf das jeweilige VW-Modell anpassen. In diesem Lichte sind auch die Ausführungen des neuen Konzern-Chefs Matthias Müller besser zu verstehen, als er er einem Interview mit der "FAZ" sagte, es gehe um den EA 189 in Kombination mit verschiedenen Getrieben und länderspezifischen Auslegungen. Und VW brauche nicht drei Lösungen, sondern tausende.

"100 Millionen Euro pro Gramm CO₂"

Da hilft es auch wenig, dass ein VW-Sprecher sagte, dass das Unternehmen wohl auch in Europa manipuliert habe, aber die beanstandete Software nur in einem Teil der elf Millionen Fahrzeuge aktiviert sei. Es ging um Milliarden für VW. Vor einem Jahr hatte der inzwischen zurückgetretene Vorstandschef Martin Winterkorn gejammert, dass jedes Gramm CO₂, das VW in Europa in der Flotte einspare, dem Wolfsburger Konzern fast 100 Millionen Euro koste. Oder anders ausgedrückt: Milliardeninvestitionen, wenn man sauber sein will.

Technische Details der intelligenten Software verrät die „Süddeutsche Zeitung“ : Das System säubert den Partikelfilter am Anfang des Testlaufs so wenig wie möglich, um Kraftstoff zu sparen. Dann, wenn der Motor auf dem Prüfstand auf Autobahntempo beschleunigen muss, kann der Filter ohne zusätzlichen Spritverbrauch gereinigt werden. Dadurch wird verhindert, dass der CO₂-Ausstoß steigt.

Steuernachzahlungen drohen

Klingt alles kompliziert und wird sich nicht mit einem einfachen Update beheben lassen, wie der neue VW-Chef schon anklingen hat lassen. Es wird sogar für möglich gehalten, dass die kleineren Drei- und Vierzylinder die Euro-5-Abgasnorm überhaupt ohne relativ aufwendige Hardware- Umrüstungen nicht einhalten können. Und das ginge dann ins große Geld für VW: Das hieße den Motor wechseln.

Aber damit wäre es nicht getan für VW: Denn der Konzern soll einer Zeitung zufolge für mögliche Steuerschäden aufkommen, die wegen der Abgas-Manipulationen entstanden sein könnten. Dies habe der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans in einem Brief an Finanzminister Wolfgang Schäuble gefordert, berichtete die "Süddeutsche Zeitung".

In dem Schreiben werde auf Steuervorteile für Dieselfahrzeuge mit niedrigen Abgas-Werten verwiesen. Wegen der von VW eingestandenen Manipulationen könnten zahlreiche Autos zu gering besteuert worden sein. Walter-Borjans dringe darauf, dass schnell eine unbürokratische Hilfe mit dem Autobauer vereinbart werde, hieß es weiter.

>> Artikel in der "Süddeutschen Zeitung"

(red./APA/Reuters)

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