China: Neuer Masterplan für den Drachen

A Chinese flag marking a railway linked to China is seen in front of a train at the Khorgos border crossing point, east of the country´s biggest city and commercial hub Almaty, Kazakhstan
A Chinese flag marking a railway linked to China is seen in front of a train at the Khorgos border crossing point, east of the country´s biggest city and commercial hub Almaty, Kazakhstan(c) REUTERS (SHAMIL ZHUMATOV)
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Das Zentralkomitee der KP berät seit gestern den mit viel Spannung erwarteten 13. Fünfjahresplan. Wohin geht der wirtschaftspolitische Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft?

Peking. Fünfjahresplan – das klingt wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Wie in der Sowjetunion legte auch in China einst das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei (KP) fest, wie viel Paar Hosen jedem einzelnen Fabrikarbeiter in den kommenden fünf Jahren zustehen würden und exakt wie hoch der Jahresertrag in jeder einzelnen Produktionsstätte auszufallen hat.

Solche detaillierten Vorgaben gibt es im heutigen China zwar nicht mehr. Und doch hält die moderne Volksrepublik auch weiter am Fünfjahresplan fest. Doch während es vor 40 Jahren um eine Volkswirtschaft von der Stärke des damaligen Dänemark ging, beraten die Parteikader heute um nichts Geringeres als um den Kurs der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Gestern, Montag, haben die Beratungen des 13. Fünfjahresplans begonnen.

Vier Tage diskutieren die rund 300 Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei hinter verschlossenen Türen über den wirtschaftspolitischen Kurs des Landes und feilen an den letzten Zeilen des Fünfjahresplans.

Fokus auf dem Finanzmarkt

So finden sich den bisherigen Entwürfen zufolge darin Förderprogramme für Elektromobilität, Robotertechnik und Biotechnologie. Zudem gibt es konkrete Anweisungen, welche weiteren Schritte erforderlich sind, um Chinas Finanzmärkte konkurrenzfähig zu machen mit denen von London, Tokio und New York. Ebenfalls großen Raum einnehmen dürften ehrgeizige Pläne, ganz Zentralasien mit Autobahnen und Hochgeschwindigkeitszügen auszustatten.

Nach sozialistischer Planwirtschaft klingt all das kaum noch. Immerhin – der Ablauf der Beratungen ist ähnlich geblieben. Wie einst in der Sowjetunion mussten in den vergangenen Monaten zehntausende Statistiker, Ökonomen und Soziologen Millionen von Wirtschafts- und Sozialdaten zusammentragen, um den KP-Führern ein umfassendes Bild über den derzeitigen Zustand der chinesischen Volkswirtschaft zu erstellen. Der hat zuletzt für Sorgenfalten und Mutmaßungen rund um den Globus gesorgt. Denn mit einem Wachstum von 6,9 Prozent im dritten Quartal scheint China mehr zu schwächeln als bisher zugegeben.

Angesichts des sich verlangsamenden Wirtschaftswachstums hat Chinas Premier Li in den vergangenen Monaten zwar mehrfach betont, das zu Jahresbeginn vorgegebene Wachstumsziel von sieben Prozent sei nicht in Stein gemeißelt. Ein ungefährer Wert würde es auch tun. Das hat er am Samstag wiederholt: „Wir haben niemals gesagt, dass wir irgendein Ziel bis zum bitteren Ende verteidigen sollten, nur, das sich die Wirtschaft innerhalb eine vernünftigen Bandbreite bewegen sollte“, sagte Li vor der Zentralen Parteischule.

Die wirtschaftlichen Herausforderungen dürften nicht unterschätzt werden. Angesichts der Probleme der Weltwirtschaft schlage sich China aber gar nicht so schlecht. In den vergangenen fünf Jahren wuchs die Wirtschaft im Schnitt um 7,8 Prozent. Sollte das BIP im Gesamtjahr unter sieben Prozent bleiben, wäre dies das schwächste Plus seit 25 Jahren.

Für China bleibt der genaue Wert des Wachstumsziels dennoch zentral. Denn jede Provinzregierung und jedes Staatsunternehmen muss sich auch weiter daran messen, ob es die Vorgabe bis zum Ende des Jahres tatsächlich erreicht.

Zentrales Ziel ist dem neuen Fünfjahresplan zufolge eine Verdopplung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf im Vergleich zu 2010. Li Daokui, Ökonom an der renommierten Tsinghua-Universität, hält dieses ehrgeizig klingende Ziel durchaus für machbar – trotz der zuletzt sinkenden Wachstumsraten. Chinas Wirtschaft müsse dafür im Schnitt um sieben Prozent im Jahr zulegen. Aber auch bei einem geringeren Wert sei das Ziel erreichbar, sagte Li Daokui.

Um die Konjunktur anzukurbeln nutzt die Notenbank jedenfalls alle Instrumente. Sie hat am Freitag zum sechsten Mal in weniger als einem Jahr den Leitzins gesenkt. Zudem räumte sie den Banken mehr Spielraum bei der Kreditvergabe ein. Notenbank-Vizegouverneur Yi Gang ist denn auch optimistisch, dass das Land in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Wachstum zwischen sechs und sieben Prozent schafft.

Bekämpfung der Armut

Premier Li erwartet zudem Fortschritte bei der Armutsbekämpfung. Die Zahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, liegt derzeit noch bei rund 70 Millionen. Diese Zahl soll bis 2020 auf null sinken. Um die niedrige Geburtenrate wieder leicht anzuheben, wird der neue Fünfjahresplan aller Voraussicht nach einen entsprechenden Passus enthalten, der Chinas schon in den vergangenen Jahren deutlich aufgeweichte Einkindpolitik endgültig ein Ende setzt. Und nicht zuletzt mit Blick auf die Klimaverhandlungen zu Jahresende wird die Führung weitere konkrete Ziele zur Reduktion von CO2 nennen.

AUF EINEN BLICK

Der neue Fünfjahresplan für China wird seit gestern vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei diskutiert. Angesichts der schwächelnden Wirtschaft erhalten die Wachstumsziele bis 2020 besondere Bedeutung auch für die gesamte Weltwirtschaft. Nach wie vor werden rund sieben Prozent angepeilt. Im dritten Quartal hat China diesen Wert unterschritten. Ministerpräsident Li will überdies die Armut weiter bekämpfen und die Infrastruktur ausbauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2015)

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