Der lange Schatten des Josef Ackermann

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Die Deutsche Bank streicht 9000 Jobs, steuert auf einen Milliardenverlust zu und zahlt erstmals seit 80 Jahren keine Dividende. Sie zahlt die Rechnung für den Größenwahn, der in der Ära Ackermann als Geschäftsmodell gedient hat.

Wien. „25 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern.“ Mit diesem Credo trat der frühere Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Februar 2005 an die Öffentlichkeit. Diese 25Prozent Rendite trug er wie eine Monstranz vor sich her. Für weniger sei er nämlich nicht zu haben.

Zehn Jahre später klingen Ackermanns Vorgaben wie ein Hohn. Der neue Konzernchef heißt John Cryan. Am Donnerstag hatte er seinen ersten großen Auftritt. Nachdem das dritte Quartal einen Rekordverlust von sechs Milliarden Euro ausgewiesen hat, kommt der nun verkündete Sparkurs nicht unerwartet. Die nackten Zahlen haben es dennoch in sich: Die Deutsche Bank wird von derzeit 100.000auf etwa 70.000 Mitarbeiter schrumpfen. 9000 Jobs – davon 4000 in Deutschland – werden gestrichen. Auch viele externe Dienstleister werden „redimensioniert“ – wie der Verlust von Arbeitsplätzen in der Managersprache heißt. Weitere 6000 Jobs weniger. Und schließlich wird sich die Deutsche Bank von ihrer Tochter Postbank und ihren 20.000 Mitarbeitern trennen. Das Institut soll nächstes Jahr an die Börse gebracht werden.

Für die Aktionäre hat Cryan wenig zu bieten. Erstmals seit dem Jahr 1934 wird die Deutsche Bank keine Dividende zahlen. Auch im kommenden Jahr werden die Shareholder leer ausgehen. Vom Kurseinbruch ganz zu schweigen. Allein gestern büßte die Aktie zwischenzeitlich sieben Prozent ein.

So ändern sich eben die Zeiten. Unter Josef Ackermann stand das Wohl der Aktionäre über allem. Nachdem er 2002 den Chefposten übernommen hatte, butterte die Deutsche Bank binnen weniger Jahre mehr als acht Milliarden Euro in den Kauf eigener Aktien. So prügelte der Schweizer Manager den Kurs in die Höhe.

Zehn Jahre später hat die Bank Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten in Höhe von 4,8 Milliarden Euro in den Büchern. Seit Ackermanns Abgang im Jahr 2012 hat die Deutsche Bank zwölf Milliarden Euro für diverse Verfehlungen bezahlt. Der Größenwahn, der einst zum Geschäftsmodell avancierte, beinhaltete viele „Verfehlungen“. Ob Zinsskandal, bei dem die wichtigen Referenzzinssätze wie Euribor und Libor manipuliert wurden, ob die Kirch-Affäre, ob US-Hypotheken-Skandal oder der Verstoß gegen die Iran-Sanktionen. Es gab kaum einen Finanzskandal, an dem die Deutsche Bank nicht auf irgendwelche Art und Weise beteiligt war. Steuerfahnder und Staatsanwaltschaft gaben sich in der Firmenzentrale in Frankfurt die Klinke in die Hand.

Viele Probleme der elftgrößten Bank der Welt (gemessen nach den Vermögenswerten von 2,1 Billionen US-Dollar) nahmen ihren Ausgangspunkt in der Ära Ackermann. Doch auch in den Jahren danach wurde zu wenig unternommen, um die Altlasten aufzuarbeiten. Cryan sprach diese Versäumnisse gestern an. „Die Deutsche Bank hat kein Strategieproblem. Wir wissen genau, wohin wir wollen“, sagte er. „Jedoch hat die Deutsche Bank seit vielen Jahren gravierende Probleme, diese Strategie umzusetzen.“

Schleppende Restrukturierung

In diesem Punkt hinkt die Deutsche Bank anderen Finanzriesen hinterher. Auch die Schweizer Großbanken UBS und Credit sowie die britische Barclays mussten sich völlig neu aufstellen. Doch sie haben früher mit dem Umbau begonnen. Barclays etwa hat die Bilanzsumme im Investmentbankbereich um 40 Prozent gekürzt und 7000 Stellen gestrichen. Die für 2016 gesteckten Ziele setzten die Briten bereits bis zum heurigen Sommer um.

Und die Deutsche Bank? Gemessen an der Bilanzsumme weist sie unter den größten europäischen Banken die niedrigste Eigenkapitalquote auf.

Seit 1. Juli ist der Brite John Cryan Vorstandsvorsitzender. Unter ihm soll die Deutsche Bank „einfacher und effizienter“ werden. Das Institut wird sich aus zehn Ländern zurückziehen, allein in Deutschland werden 200 Filialen zugesperrt. Das Investmentbanking will Cryan halbieren. „Das Zurückfahren des Geschäfts wird Erträge kosten“, räumt Cryan ein. Aber gleichzeitig werde das Risiko in der Bilanz um ein Viertel zurückgehen. Risiko, das mit teurem Eigenkapital unterlegt werden muss.

Und wie sieht es mit der Eigenkapitalrendite aus? Für John Cryan tun es auch zehn Prozent – ab 2018. „Unsere Ziele mögen zwar weniger spektakulär als in der Vergangenheit sein, aber dafür soll die Deutsche Bank nachhaltige Gewinne erzielen.“

AUF EINEN BLICK

John Cryan ist seit Juli Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank. Das elftgrößte Bankinstitut der Welt steckt in einer formidablen Krise. Im dritten Quartal wies die Bank einen Verlust von sechs Milliarden Euro aus. Nun wird die Bank völlig neu aufgestellt. 29.000 von 100.000 Stellen werden wegfallen, der Großteil davon durch den Verkauf der Tochter Postbank, die fast 20.000 Mitarbeiter hat. Sie soll nächstes Jahr an die Börse gebracht werden. Auch bei den externen Dienstleistern werden 6000 von insgesamt 30.000 Arbeitsplätzen wegfallen.

Die Deutsche Bank wird sich aus zehn Ländern zurückziehen, in Deutschland 200 Filialen schließen sowie das Investmentbanking halbieren. Erstmals seit dem Jahr 1934 wird es für die Aktionäre keine Dividende geben. Auch für das nächste Jahr wurde die Ausschüttung gestrichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2015)

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