Die Expo ist zu Ende: Italien staunt über sich und rätselt

Expo Milano
Expo Milano(c) AFP (GIUSEPPE CACACE)
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Die Weltausstellung in Mailand war wider Erwarten ein Erfolg. Aber was soll aus den 20.000 Beschäftigten und dem Gelände werden?

Rom. In Italien ist so etwas wie ein Wunder geschehen: Mit der Weltausstellung in Mailand, die diesen Samstag ihre Tore schließt, sind alle zufrieden. Von einem „großen Erfolg“ spricht Regierungschef Matteo Renzi; Staatspräsident Sergio Mattarella sagt, in Mailand habe sich gezeigt, wozu ein Italien fähig sei, das sich zu vereinter Anstrengung zusammenschließe: „Weiter so!“ Sogar die Hotels – bei gut zwanzig Prozent höherer Auslastung als sonst – jammern leiser als üblich. Und das will etwas heißen.

Sechs Monate stand die Expo 2015 unter dem Motto „Den Planeten ernähren – Energie für das Leben“. Mit 21 Millionen Besuchern (in Hannover 2000 waren es 18 Millionen) wurde das ursprüngliche Ziel gar um eine Million übertroffen – freilich auch mit kleinen Tricks: verloste Eintrittskarten etwa oder Feierabendtickets zum Preis von fünf Euro. Diese haben auch viele Mailänder Rentner angelockt. Darüber hinaus hat aber auch die Mundpropaganda in den letzten Wochen einen richtigen Schneeballeffekt erzeugt. So lange Schlangen wie im Herbst gab es vorher nie. Vor dem japanischen Pavillon, dem beliebtesten, warteten die Schaulustigen bis zu viereinhalb Stunden.

Mailand als „moralische Hauptstadt“

In Italiens öffentlichen Kassen wird die Schau ein Defizit hinterlassen – als Marge für eine „schwarze Null“ war eine Besucherzahl von 24 Millionen angepeilt –, den Besucherumfragen und den professionellen Marktanalysen nach kann Mailand allerdings mit einem dicken Plus an weltweiter Bekanntheit und touristischer Nachhaltigkeit rechnen.

Dabei wäre die Expo anfänglich beinahe im landesüblichen Unterholz von Korruption, Mafia und Bürokratie hängen geblieben. Dann warf sich die Regierung ins Zeug, fand in Giuseppe Sala einen derart durchsetzungsstarken Manager, dass man dem 57-Jährigen schon das Mailänder Bürgermeisteramt anträgt, das 2016 frei wird. Und Renzi schickte den Chef der Nationalen Antikorruptionsbehörde, den früheren Mafiajäger Raffaele Cantone, mit Sondervollmachten los. So wurde wider Erwarten so gut wie alles rechtzeitig zur Eröffnung am 1. Mai fertig.

Es geht also, wenn man nur will, heißt es heute in Mailand angesichts des Sumpfs, in dem zurzeit die ewige Nebenbuhlerin und Hauptstadt Rom untergeht. „Mailand wird zum Motor Italiens, ja Europas“, sagt man und klopft sich auf die Schultern, und Cantone nennt Mailand sogar schon die „moralische Hauptstadt“ Italiens; Rom habe „keine Antikörper“ gegen die Kriminalität.

Die Mafia lauert

Jetzt müssten nur die 20.000 meist jungen Leute, die sechs Monate in den Pavillons arbeiteten, einen neuen Job finden. Und die Mailänder müssten allmählich wissen, was sie mit dem hundert Hektar großen Expo-Areal anstellen wollen, wenn die Länderpavillons spätestens nächstes Frühjahr abgerissen sein werden. Ein riesiges Messegelände haben sie schon, es liegt gleich nebenan. Und so drohen die wenigen Bauwerke, die stehen bleiben sollen, zu Ruinen in einer vorstädtischen Wüste zu werden.

Ein Universitätscampus könnte die Brache nächstes Frühjahr wieder ergrünen lassen, heißt es neuerdings, eine geballte Ansammlung von Hightech-Firmen, quasi ein italienisches Silicon Valley, könnte die Weltausstellung beerben, sagen andere. Konkret ist aber noch nichts. Am 10. November will Premier Renzi eigenem Bekunden nach „erzählen“, was die Regierung vorhat. Die Antikorruptionsbehörde bleibt jedenfalls bis Ende 2016 vor Ort. Es könnte sich ja bei den nun folgenden Abbau- und Erdbewegungsarbeiten doch wieder die Mafia einschleichen. Sie betreibt genügend Tarnfirmen, gerade für solche Aufträge – vor allem dort, wo keiner hinschaut. (pk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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