Spanien: Sonnenenergie? Nein, danke

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Die Regierung kehrt dem Solarstrom den Rücken zu. Ökostromproduzenten fühlen sich von der konservativen Regierung ausgebremst. Sie rollt der Atomindustrie den roten Teppich aus.

Madrid. An bis zu 300 Tage scheint in Spanien die Sonne. 3000 Sonnenstunden locken vor allem im südlichen Spanien – das sind etwa doppelt so viele wie in nördlicheren europäischen Ländern. Kaum ein Land hat so gute klimatische Voraussetzungen wie das spanische Königreich, um Europas Sonnenenergievorreiter zu sein.

Und doch fristet der Solarstrom in Spanien ein Schattendasein. Die Ökostromproduzenten fühlen sich von der konservativen Regierung ausgebremst. Zuletzt mit dem Beschluss einer „Sonnensteuer“, die die für den Eigenverbrauch erzeugte saubere Energie verteuert. Ein neues Hindernis, das Spaniens ohnehin lahmenden Solarmarkt weiter zurückwerfen dürfte. „Die Regierung kehrt der Sonne den Rücken zu“, kritisiert Spaniens größte Tageszeitung, „El Pais“, das jüngste Steuerdekret. Das sei eine Entscheidung, „um den Ausbau der Sonnenenergie zu verhindern statt ihn zu fördern“, findet der Fotovoltaikverband Unef.

Anschluss schon verloren

Bereits in den vergangenen Jahren verlor das Sonnenland den Anschluss an die europäische Solarspitze: Im Jahr 2014 machte die Solarenergie in Spanien nur fünf Prozent der nationalen Stromproduktion aus. Während im verregneten Deutschland immerhin schon sechs Prozent des Stroms aus der Sonne kommen. Spitzenreiter in Europa ist übrigens Italien, das auf acht Prozent Sonnenstrom zusteuert.

Nach dem neuen Gesetz, das von den spanischen Konservativen gegen den Widerstand aller anderen Parteien und der Solarbranche durchgepeitscht wurde, müssen die ans Stromnetz angedockten Solarenergieerzeuger künftig für ihre selbst produzierte Energie eine Netzunterstützungsgebühr abführen. „Das ist in etwa so, als müsse man Geld dafür bezahlen, dass man im Garten eigene Tomaten anbaut“, empört sich die Ingenieurgruppe „Kritisches Energie-Observatorium“.

Zur Sonnensteuer gesellen sich dann noch, sobald nachts und in sonnenarmen Zeiten Strom aus dem Netz bezogenen wird, die üblichen Zähler- und Verbrauchsgebühren. Spanien liegt übrigens schon länger mit der Solarbranche über Kreuz: Nachdem vor zehn Jahren noch allerorten kleine und große Solarkraftwerke im Land boomten, trat Spanien im Jahr 2008 plötzlich auf die Bremse. Die Solareinspeisevergütung wurde immer weiter zusammengestrichen, sogar mit rückwirkendem Effekt. Mit dem Ergebnis, dass fremdfinanzierte Solaranlagen, die auf die versprochenen Hilfen gesetzt haben, nicht rentabel sind. Hunderte Solarparks gingen pleite. Nun läuft vor nationalen Gerichten und Schiedsgerichten eine Klagswelle gegen den Staat.

Während über der Solarbranche dunkle Wolken aufziehen, wird der Atomindustrie der rote Teppich ausgerollt: Die regierenden Konservativen erteilten dem von der linken Opposition geforderten Atomausstieg eine Abfuhr und sagten den Kernkraftwerksbetreibern zu, dass die Laufzeit der bisher schon 30–40 Jahre alten Atommeiler auf bis zu 60 Jahre verlängert werden kann. Atomkraft ist nach Angaben des nationalen Netzbetreibers REE derzeit Spaniens wichtigste Stromquelle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2015)

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