Frankreich liberalisiert das Arbeitsrecht

Frankreich, Paris, Eiffelturm
Frankreich, Paris, Eiffelturm(c) BilderBox (BilderBox.com)
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Ein zu kompliziertes Arbeitsrecht hindert die französischen Unternehmen daran, sich rasch dem Markt anzupassen und aus der Krise zu kommen. Jetzt verspricht die Linksregierung eine liberal inspirierte Reform.

Paris In zwei Jahren soll Frankreichs Arbeitsrecht von Grund auf neu geschrieben werden. Es ist bekanntlich nie zu spät für gute Absichten. Heute ist der „Code du travail“ nämlich ein dicker Wälzer mit rotem Umschlag, in dem sich angeblich nicht einmal die Experten zurechtfinden. Und jedes Jahr wächst dieses Monstrum dank zusätzlicher Normen und Regeln. Hatte dieses Gesetzbuch noch 2005 „nur“ 2590 Seiten, so sind es derzeit bereits 3689. Mit einer auf zwei bis drei Jahre angelegten Reform soll nun die seit Langem anstehende Vereinfachung endlich erfolgen.

Paradoxerweise sind es in Frankreich besonders Linksregierungen, die liberal inspirierte Reformen durchsetzen. Das belegt einmal mehr Premierminister Manuel Valls, der sein Projekt einer Liberalisierung des Arbeitsrechts vorgestellt hat. Er packt damit Aufgaben an, die die Regierungen der früheren bürgerlicher Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy unerledigt hinterlassen haben. Beide waren zwar grundsätzlich gegen die gesetzliche Verankerung der 35-Stunden-Woche, schoben aber aus Angst vor einer Konfrontation mit den Gewerkschaften die Abschaffung hinaus. Auch die Regierungen von Sarkozy beschränkten sich auf eine relativ schüchterne Lockerung einer Arbeitszeitregel, die von den Arbeitnehmern geschätzt wird und anscheinend auch größeren Unternehmen eher entgegenkommt.

Tatsache ist jedoch auch, dass dieses arbeitsrechtliche Korsett es den französischen Unternehmen erschwert hat, sich rasch ändernden Marktbedingungen anzupassen. Das dürfte mit ein Grund sein, warum die Wirtschaft in Frankreich langsamer als in den Nachbarländern aus der Krise kommt. Die Regierung will bereits Anfang 2016 die ersten Maßnahmen zur Lockerung der Arbeitszeitregelung dem Parlament zur Verabschiedung vorlegen.

Betriebliche Regelungen

Da in Frankreich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften traditionellerweise eher mit handfesten Konflikten als im Dialog „gelöst“ werden, versteht man, dass die Einführung eines echten sozialen Dialogs auf Unternehmensebene fast eine Revolution darstellen würde. Die Reform sieht vor, dass in Zukunft Direktion und Personalvertreter über vorübergehend längere Arbeitszeiten und geringe Bezahlung der Überstunden verhandeln können. Eine Einigung ist aber nur legal, wenn die Repräsentanten der Beschäftigten bei den letzten Wahlen der Betriebskommission zusammen mindestens 50 Prozent der Stimmen erhalten haben. Diese Vertretung muss zudem relativiert werden, denn der Organisationsgrad der Arbeitnehmer ist in der Privatwirtschaft mit lediglich acht Prozent sehr tief, was den Einfluss der Gewerkschaften schwächt.

Bei allen Reformbestrebungen soll ein „Sockel an Grundrechten“ unangetastet bleiben. Dazu rechnet Valls den Mindestlohn, den festen unbefristeten Arbeitsvertrag, die zusätzliche Bezahlung von Überstunden und die 35-Stunden Woche. Die gesetzliche Norm soll also weiterhin die Regel und die von den Sozialpartnern ausgehandelte flexible Anpassung die Ausnahme bleiben. Die rechte Opposition spricht bereits von einer „Nichtreform“. Die Arbeitgeber dagegen spenden vorsichtigen Applaus und begrüßen einen ersten Schritt in die richtige Richtung. (r. b.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)

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