Regulierung: Neuer Kapitalpuffer für Großbanken

Mark Carney, der Vorsitzende des G20-Finanzstabilitätsrates.
Mark Carney, der Vorsitzende des G20-Finanzstabilitätsrates.(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Auch die weltgrößten Geldhäuser sollen nicht mehr „too big to fail“ sein. Das will der G20-Stabilitätsrat mit einer Quote bewirken, die er ergänzend zu Basel III beschlossen hat.

Wien/London. Die Banken stöhnen unter immer höheren Vorgaben der Regulatoren für ihre Kapitalbasis. Erst 2019 werden die Basel-III-Regeln voll schlagend sein. Doch schon naht eine neue Anforderung, die viele Banker gern als „Basel IV“ beklagen. Es geht dabei um eine neuartige Form von Puffer, um dessen genaue Höhe lange gerungen wurde – und die der Finanzstabilitätsrat (FSB) der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) nun beschlossen hat.

„Wir haben die Werkzeuge geschaffen, die es braucht, damit künftig keine Bank mehr too big to fail ist“, sagt FSB-Vorsitzender Mark Carney, Gouverneur der Bank of England. Auch die weltgrößten Institute sollen abgewickelt werden können, ohne dass ihr Fall Krisen auslöst und die Steuerzahler geradestehen müssen. Den Puffer aufbauen müssen jene 30 Institute, die im globalen Kontext systemrelevant sind. Dazu zählen Goldman Sachs, die Deutsche Bank und die britische HSBC, aber auch vier chinesische Geldhäuser.

Die Regierungen sollen die Empfehlung nun umsetzen. Der Startschuss dürfte beim G20-Gipfel im türkischen Antalya am kommenden Sonntag fallen. Die neue Kennzahl heißt Total Loss Absorbing Capacity (TLAC), ist also eine Maßzahl für die Verlusttragfähigkeit. Gegen den Spitznamen „Basel IV“ verwehrt sich Carney: Es gehe nicht um zusätzliche Belastungen. Die Maßnahme sei „ergänzend“ und soll Probleme „ausbügeln“, die bei der Umsetzung von Basel III aufgetaucht sind.

Sowohl Basel III als auch die G20-Quote gehen von risikogewichteten Aktiva aus. Dazu werden alle Vermögenswerte einer Bank auf Bonität geprüft. Bei vergebenen Krediten etwa geht es um die Wahrscheinlichkeit ihres Ausfalls. Je nach Risiko gibt es Abschläge für den anzusetzenden Wert. Der Unterschied liegt in der Haftungsmasse: Bei Basel III muss die so gewichtete Bilanzsumme zu einem bestimmten Mindestprozentsatz von Eigenkapital gedeckt sein. Bei TLAC kommen bestimmte Verbindlichkeiten dazu, die bei einer Pleite in Eigenkapital umgewandelt werden können. Anzurechnen sind etwa Schulden mit einer Mindestrestlaufzeit von einem Jahr, die allen anderen Forderungen der Gläubiger im Insolvenzfall untergeordnet sind. Durch die Finger schauen dann die Besitzer dieser Schuldtitel. Der Staat und damit die Steuerzahler bleiben dafür ungeschoren.

Weil der Nenner des Bruchs erweitert wird, muss er auch mehr risikogewichtete Aktiva abdecken. Bei Basel III geht es um mindestens acht Prozent (plus eines „Kapitalerhaltungspuffers“ von 2,5 Prozent und eines Zuschlags für die weltgrößten Institute von einem bis 2,5 Prozent). Bei der TLAC diskutierte man zuletzt über eine Bandbreite von 16 bis 20 Prozent. Tatsächlich fiel die Quote nun etwas weniger scharf aus: Sie startet zwar ab 2019 mit 16 Prozent, muss aber bis 2022 nur auf 18 Prozent steigen.

1,1 Bio. mehr Spezialschulden

Noch schwer abzuschätzen ist, wie stark die betroffenen Großbanken nun ihren Polster an anrechenbaren langfristigen Schulden aufstocken müssen. Die höchste Schätzung des FSB für diese Deckungslücke beläuft sich auf 1,1 Billionen Euro. Für die größten europäischen Banken sollte die Vorgabe jedenfalls machbar sein, meinen Analysten der Citigroup.

Eine Verschärfung bedeutet die Entscheidung für die vier chinesischen Banken, die anfangs trotz ihrer Bedeutung vom Konzept ausgenommen waren. Das sahen viele als ungerechte Bevorzugung. Um Chancengleichheit herzustellen, sollen nun auch sie sich den Regeln beugen – freilich mit großzügigen Fristen: Sie müssen die beiden Stufen der Vorgaben erst 2025 und 2028 erreichen. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)

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Die TLAC-Quote muss ab 2019 mindestens 16 Prozent betragen. Die Haftungsmasse der risikogewichteten Bilanzsumme soll bis 2022 auf 18 Prozent steigen.

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