Haushalt: Der britische Weg aus dem Defizit

Staatskanzler Osborne: „Die beste Sicherheitspolitik sind sichere Staatsfinanzen.“
Staatskanzler Osborne: „Die beste Sicherheitspolitik sind sichere Staatsfinanzen.“(c) APA/AFP/ANDY RAIN (ANDY RAIN)
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Der britische Schatzkanzler, George Osborne, will mit massiven Einsparungen bis 2020 einen Haushaltsüberschuss erzielen. Dabei geht es nicht nur um die Staatsfinanzen.

London. Großbritannien will bis 2020 einen Haushaltsüberschuss von zehn Milliarden Euro (14,25 Milliarden Pfund) erwirtschaften. Schatzkanzler George Osborne sagte gestern, Mittwoch, bei der Vorstellung seiner langfristigen Budgetpläne vor dem Unterhaus in London: „Das ist eine Regierung, die große Dinge in Angriff nimmt.“ Osborne will mit dem Abbau des Defizits nicht nur die Staatsfinanzen in den Griff bekommen, sondern den Staat fundamental umbauen.

Dafür hat der Schatzkanzler bis 2020, dem Termin der nächsten Parlamentswahl, Einsparungen von 32 Milliarden Pfund vorgesehen. Während die staatlichen Ausgaben für Gesundheit und Erziehung unangetastet bleiben und dem Verteidigungsbereich aufgrund der jüngsten internationalen Ereignisse zusätzliche zwölf Milliarden Pfund bewilligt wurden, müssen alle anderen Ressorts kräftig sparen.

So verliert etwa das Umweltministerium bis 2020 15 Prozent seines Budgets und das Transportministerium 37 Prozent. Einschnitte im Innenministerium könnten bis zu 20.000 weniger Polizisten bedeuten. Osborne: „Die beste Sicherheitspolitik sind sichere Staatsfinanzen.“ Im Sozialbereich sollen zwölf Milliarden eingespart werden. Die Kommunen, die laut Osborne „über Assets im Wert von 250 Milliarden Pfund verfügen“, rief der Schatzkanzler zu Privatisierungen auf, deren „Erträge sie zu 100 Prozent behalten dürfen“.

Die Einsparungen sind im Verhältnis zur erwarteten Entwicklung der britischen Wirtschaft zu sehen. Osborne erwartet einen BIP-Zuwachs von jährlich 2,5 Prozent. Damit will er die Schuldenquote von 81,7 Prozent auf 71,3 Prozent im Haushaltsjahr 2020/21 drücken. Das aktuelle BIP Großbritanniens beträgt 1,8 Billionen Pfund. Die geplante Neuverschuldung liegt heuer bei 3,7 Prozent.

Wachstum von 2,5 Prozent

Die gute Konjunktur erlaubte es Osborne auch, einen Coup bei seiner Haushaltsrede zu landen. Zur allgemeinen Überraschung erklärte er den Verzicht auf seinen früheren Plan, steuerliche Sonderleistungen (Tax Credits) zu streichen. Fast 4,5 Milliarden Pfund hat Osborne ursprünglich einsparen wollen, indem er den Dschungel aus Sonderleistungen, Steuergutschriften und Lohnsubventionen durchforstet. Das House of Lords hatte die Maßnahmen im Vormonat in einer beispiellosen Intervention zurückgewiesen und dem Schatzkanzler „soziale Kälte“ vorgeworfen. Obwohl selbst Anhänger des von Labour-Schatzkanzler George Osborne geschaffenen Systems heute seine Effizienz und Wirksamkeit anzweifeln, steht außer Zweifel, dass ohne die Tax Credits die Ärmsten noch ärmer dastünden. Auch die Wirtschaft befürwortet das System, das in gewissen Fällen auf Lohnsubventionen hinausläuft.

Osborne begründete seinen Sinneswandel damit, dass ihm „die bessere Wirtschaftslage mehr Spielraum“ bei der Budgetgestaltung gewährt habe. Er räumte aber ein, dass er damit in diesem Jahr seine Sparziele im Sozialbereich nicht erreichen werde. Nach aktuellen Berechnungen wird der britische Fiskus heuer aber 27 Milliarden Pfund mehr als geplant einnehmen. Unter den von Osborne verkündeten Maßnahmen befand sich keine Steuer- oder Abgabensenkung, auch wenn sein Mantra seit Jahren lautet: „Niedrige Steuern, niedrige Sozialleistungen, hohe Löhne.“

Worum es Osborne in Wirklichkeit geht, ist ein radikaler Umbau des Staates, der sich auf die notwendigsten Funktionen zurückzieht. Zugleich arbeitet er mit geschickten politischen Manövern daran, die Unterstützung für die Labour Party langfristig zu unterminieren. Wenn Premierminister David Cameron für die Wahl 2020, in der er nicht mehr antreten wird, einen Nachfolger sucht, trifft Osborne schon heute die Maßnahmen, dass man an ihm nicht vorbeikommen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2015)

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