China lässt Börsen zittern

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CHINA (c) EPA (YM YIK)
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Ermittlungen gegen Wertpapierhändler und vor allem schwache Industriedaten verursachten den schwersten Absturz seit Sommer.

Peking. War der Börsencrash in China im Sommer, der die weltweiten Aktienmärkte durcheinanderwirbelte, nur ein Vorgeschmack? Am Freitag beendete der Shanghai Composite Index bei 3436,3 Punkten mit 5,48 Prozent im Minus. Der Component Index in Shenzhen büßte sogar 6,31 Prozent auf 11.961,7 Punkte ein. Auch die Börsen in Hongkong und Tokio verzeichneten Verluste.

Für Verunsicherung sorgte bei diesem größten Absturz seit dem Sommer just die Aufarbeitung der Turbulenzen. Die Börsenaufsicht CSRC kündigte ein verschärftes Vorgehen gegen die illegale Finanzierung von Börsengeschäften auf Pump an. Diese gelten als eine Ursache für den Kurssturz. Der Hintergrund: Anleger können mit relativ geringem Einsatz ein vergleichsweise großes Rad drehen und so riskanten Spekulationen und Kursausschlägen den Weg ebnen.

Verschärft wurde das negative Börsenumfeld durch enttäuschende Industriedaten, die die Sorge über eine stärkere Abkühlung der chinesischen Wirtschaft anheizen.

Schon am Donnerstag hat die chinesische Börsenaufsicht mitgeteilt, gegen den größten Wertpapierhändler CITIC und seinen kleineren Rivalen Guosen Securities Untersuchungen wegen Regelverstößen eingeleitet zu haben. Zuvor sind die Behörden gegen den Chef von CITIC, Cheng Boming, und andere hochrangige Finanzmanager vorgegangen.

Zu den größten Verlierern des Tages gehörten denn auch die Aktien der beiden Brokerfirmen, deren Papiere um jeweils zehn Prozent nachgaben. Das ist der maximal mögliche Tagesverlust, bevor die Unternehmen vom Handel ausgesetzt werden.

Peking macht die Finanzkonzerne mitverantwortlich für die Börsenturbulenzen, die das Land in den vergangenen Monaten erlebt hat. Im Sommer hat der chinesische Leitindex in Shanghai innerhalb weniger Wochen knapp ein Drittel seines Wertes verloren. Getrieben von Privatanlegern, die massenhaft Aktien auf Kredit gekauft haben, sind die Börsen zuvor über Monate stark gestiegen.

Kritiker werfen Peking vor, mit dem Schlag gegen die Finanzbranche lediglich Sündenböcke für die Verwerfungen auf den Märkten zu suchen und den wahren Kern der Probleme zu negieren.

Eines der Kernprobleme dürfte die schwächelnde Wirtschaft sein: Die Gewinne der chinesischen Industrie schrumpften im Oktober um 4,6 Prozent zum Vorjahreszeitraum und damit bereits den fünften Monat in Folge, teilte die Statistikbehörde am Freitag mit.

In den ersten zehn Monaten sanken die Gewinne der großen Firmen um zwei Prozent. Ihnen machen höhere Kosten und Überkapazitäten zu schaffen. Schlecht lief es vor allem in der Öl-, Stahl-, Kohle- und Bergbaubranche.

Nach jahrzehntelangem Boom kühlt die Konjunktur in China ab. Die Regierung peilt für 2015 ein Wachstum von sieben Prozent an. Es wäre der schwächste Wert seit etwa einem Vierteljahrhundert. Peking investiert deshalb verstärkt in Infrastruktur, um die Konjunktur anzuschieben: Umgerechnet 412 Mrd. Euro sollen in den Ausbau des Schienennetzes fließen. (ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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