Die Geschichte wiederholt sich: Schweiz hat ein Europroblem

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Franken(c) Erwin Wodicka
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Der Franken-Schock von 2015 ist kaum verdaut, da bereitet die EZB schon die nächste Geldlawine vor. Was kann die Schweiz noch tun?

Wien/Zürich. Der 15. Jänner war einer der dramatischeren Börsentage des auslaufenden Jahres. Denn an diesem Tag ließ die Schweizerische Notenbank (SNB) völlig überraschend die Bindung des Franken an den Euro fallen. Das Ergebnis: Der Euro verlor gegenüber der Schweizer Währung fast 20 Prozent an Wert. Am 14. Jänner bekam man dank der rund drei Jahre währenden Bindung noch 1,20 Franken für einen Euro. Am 16. sank der Euro sogar unter die Parität und war weniger wert als der Franken.

Auch wenn der Kurs sich seitdem bei rund 1,05 Franken pro Euro eingependelt hat: Der Schock dieser unangekündigten Aktion der Schweizerischen Notenbank sitzt auf den Märkten bis heute tief. Zentralbanken rühmen sich normalerweise ihrer Berechenbarkeit. Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, beschwerte sich im Jänner sogar öffentlich, nicht rechtzeitig informiert worden zu sein. Die Schweizer juckte das freilich wenig. Sie hatten ihre Gründe für die überraschende Loslösung des Franken vom Euro. Die Europäische Zentralbank EZB war im Jänner kurz davor, eine historische Geldlawine loszutreten – im Ausmaß von mehr als 1000 Milliarden Euro.

„Franken überbewertet“

Die Schweizer waren nicht bereit, die nötigen Mittel aufzubringen, um die Franken-Euro-Bindung gegen die Abwertung des Euro zu verteidigen, die ob dieser Inflation der Geldmenge seitens der EZB zu erwarten war. Also überließ man den Wechselkurs völlig überraschend den Kräften des Marktes.

Die folgende Aufwertung des Franken strafte allerdings die Schweizer Exporteure. Daran konnte auch die Einführung negativer Leitzinsen nichts ändern. Der Schweizer Franken bleibt als wichtigste verbleibende Hartwährung der Welt einfach zu beliebt.

Und daran hat sich seitdem auch nichts geändert. Im Gegenteil: Der Franken bleibt „deutlich überbewertet“, wie es die SNB-Notenbankerin Andréa Maechler kürzlich ausdrückte. Verglichen mit den Währungen der wichtigsten Handelspartner der Schweiz sei der Franken weiterhin „rund 15 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt“.

Das ist ein Problem. Denn die Geschichte scheint sich zu wiederholen. In den vergangenen Monaten sind die Töne aus der EZB, die eine weitere Lockerung verlangen, immer lauter geworden. Die im Jänner losgetretene Geldlawine hat bisher weder die Kreditvergabe noch die Inflation in der Eurozone wie gewünscht anschieben können. Dieser Misserfolg lässt die Europäischen Notenbanker aber keinesfalls an der Tauglichkeit des von ihnen gewählten Instruments zweifeln. Sie werden vielleicht schon im Dezember eine Ausweitung des Gelddruckprogramms Quantitative Easing beschließen, mit dem unter anderem Staatsanleihen gekauft werden.

Sollte dies geschehen, muss die SNB nach der Ansicht vieler Analysten die Zinsen noch weiter in den negativen Bereich drängen – und den Franken wohl auch durch direkte Interventionen erneut drücken. Eine Zinswende in Amerika könnte zwar ein wenig Druck vom Franken nehmen. Aber sie ist weniger wahrscheinlich als eine erneute Lockerung in Europa.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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