Wie Aktionäre das Management torpedieren

Carl Icahn Shareholder-Aktivist
Carl Icahn Shareholder-Aktivist(c) Bloomberg (Victor J. Blue)
  • Drucken

Shareholder-Aktivisten. Ob es gegen Yahoo, Volkswagen oder Osram geht: Aggressive Minderheitseigentümer machen die Firmenchefs öffentlich zur Schnecke. US-Hedgefonds verdienen mit dieser Strategie heuer viel Geld.

Wien. Wer Carl Icahn nicht kennt, schätzt die Meldung als harmlos ein: Ein US-Investor kauft einen Siebenprozentanteil an Xerox, strebt einen Sitz im Aufsichtsrat an und will mit dem Management über ein „besseres Ergebnis“ und „strategische Alternativen“ reden. Wer aber mit der Vita des 79-Jährigen vertraut ist, weiß sogleich, was es beim kränkelnden Hersteller von Druckern und Kopierern geschlagen hat: Kein Stein bleibt auf dem anderen. Und wenn die Xerox-Führung nicht mitspielt, dürfte die erste „Alternative“ darin bestehen, dass sie hochkant aus der Chefetage fliegt. Vor einem Jahr erst erzwang die Wall-Street-Legende Icahn, dass eBay seinen hoch profitablen Bezahldienst Paypal verkaufte – wogegen die Führung des Onlinekaufhauses hartnäckig Widerstand geleistet hatte.

Icahn ist ein Sharholder-Aktivist. So nennen die Amerikaner aggressive Minderheitsaktionäre, die sich in die Strategie der Unternehmen einmischen. Sie trommeln öffentlich gegen die Führung, ziehen andere Aktionäre auf ihre Seite und erzwingen so Kurskorrekturen. Im günstigen Fall steigt dann der Wert der Aktie und sie machen einen guten Schnitt. Der Charme dabei: Anders als bei einer feindlichen Übernahme braucht man nicht viel Kapital, um das Ruder an sich und herumzureißen. Es genügen ein paar Prozent der Aktien, bunte Powerpoint-Präsentationen, Überzeugungskraft und viel Streitlust.

Weg mit dem Kerngeschäft

Seit der Finanzkrise eifern immer mehr Aktivisten ihrem Vorbild Icahn nach. Das Volumen ihrer Hedgefonds ist seit 2009 von 36 auf 112 Mrd. Dollar gestiegen. Dabei haben sie nur in drei der vergangenen acht Jahre den Markt geschlagen. Heuer aber stimmt die Rendite: Die Strategie der Streithähne wirft das Dreifache einer durchschnittlichen Aktienanlage ab. Vielleicht macht auch das sie immer kecker und frecher. Die neue Mode: offene Briefe, in denen sie das Management zur Schnecke machen.

Eine schwere Zeit hat deshalb Marissa Mayer. Im Dezember bekommt die Yahoo-Chefin Zwillinge. Ob sie sich bis dahin bei dem Internetkonzern im Sattel halten kann? Seit dem offenen Brief von Starboard Value Ende voriger Woche gilt sie als angezählt. Der Hedgefonds schreibt ihr, man sei „verärgert über Ihre Weigerung, unsere Hilfe anzunehmen, und über Ihre Herablassung angesichts unserer ernsten Sorge über die aktuellen Lage von Yahoo“.

Konkret geht es um die Beteiligung am chinesischen Onlinehändler Alibaba. Mayer will sie ausgliedern und verkaufen. Dem folgten anfangs die meisten Aktionäre und auch Starboard. Aber Yahoo konnte dem Fiskus kein Versprechen abringen, dass die Verkäufer dafür keine Steuern zahlen müssen. Und nun drehen die Aktivisten den Spieß um: Das eigentlich Werthaltige an Yahoo sei diese Beteiligung. Das traditionelle Kerngeschäft, die Suchmaschine und ihre Werbeeinnahmen, werfe so wenig Ertrag ab, dass man besser diesen Klotz am Bein abstoßen soll – wogegen sich Mayer verbissen wehrt, weil es einer Selbstaufgabe gleichkäme. Aber wer sich mit Starboard anlegt, steht schnell mit dem Rücken zur Wand.

Der Schrecken der Konzerne

Denn hinter dem Hedgefonds steht Jeff Smith, „der meistgefürchtetste Mann im Amerika der Konzerne“ („Fortune“). Diesen Ruf erwarb sich der knabenhaft wirkende 43-Jährige vor einem Jahr. Damals riss der Draufgänger bei Darden Restaurants die Macht an sich. Der stolze Gastrokonzern, zu dem die Ketten Olive Garden und Longhorn Steakhouse gehören, macht 8,5 Mrd. Dollar Umsatz. Obwohl Smith weniger als zehn Prozent der Aktien hält, fegte er den gesamten Aufsichtsrat hinweg, setzte sich selbst an die Spitze und bestellte sein eigenes Management. Seitdem ist er der neue Held der Shareholder Acitivists und dabei, die Ikone Icahn abzulösen.

Und in Europa? Hier geht alles etwas gelassener, weniger aggressiv zu. Aber die öffentliche Anprangerung von Konzernführern hält auch in unseren Breiten Einzug. In Deutschland hat zuletzt die renommierte Fondsgesellschaft Union Investment aufhorchen lassen. Vor zwei Wochen forderte einer ihrer Fondsmanager den Kopf des neuen VW-Chefs. Denn Matthias Müller sei durch seine Porsche-Vergangenheit im Dieselskandal vorbelastet: „Es wäre viel besser, neue frische Leute in Vorstand und Aufsichtsrat zu holen.“ Nur so könnten die Kapitalmärkte wieder Vertrauen zu Volkswagen fassen. Die alte Garde sei nicht glaubwürdig und „kontraproduktiv“.

Freilich droht der Spitze durch dieses Verdikt keine unmittelbare Gefahr. Union Investment hält nur ein halbes Prozent der Vorzugsaktien. Das entspricht einem 0,2-Prozent-Anteil am Volkswagen-Reich. Das Sagen haben dort die Besitzer der stimmberechtigten Stammaktien, die zu über der Hälfte den Familien Porsche und Piëch gehören. Dennoch schmerzt die Strafpredigt. Denn wenn sich viele Aktionäre vom Pessimismus anstecken lassen, drückt das den Kurs. Sollte Volkswagen zur Finanzierung von Rückholaktionen und Gerichtsfällen frisches Geld vom Kapitalmarkt brauchen, sind dann die Voraussetzungen dafür schlecht.

Zu verwegener Osram-Chef

Heftiger ins Schwitzen ist nun der Geschäftsführer von Osram geraten. Olaf Berlien leitet den Münchner Leuchtmittelhersteller erst seit knapp einem Jahr. Was er den Anteilseignern vor Kurzem präsentierte, hätte auf den ersten Blick gefallen müssen: Die frühere Siemens-Tochter hat das klassische Glühlampengeschäft ausgelagert, um es leichter verkaufen zu können. Um trotzdem im Umsatz nicht zurückzufallen, will Berlien ins LED-Massengeschäft einsteigen und groß investieren: zwei Milliarden in Forschung und Entwicklung, eine weitere in die „weltweit effizienteste“ LED-Chipfabrik in Malaysia.

Also eine Wachstumstory, die Fantasie auslösen und den Kurs beflügeln sollte. Das Gegenteil war der Fall: Die Aktie stürzte nach der Ankündigung um bis zu 30 Prozent ab. Denn der Umbau geht ins Geld, weshalb das Ergebnis im neuen Geschäftsjahr beträchtlich sinken wird. Ein „schockierender Ausblick“, fand ein Händler – und verkaufte, wie viele andere auch.

Sind die Aktionäre also nur auf schnelle Gewinne aus? Verweigern sie sich einem „nachhaltigen Wachstum“, von dem der Osram-Chef schwärmt? Wieder kommt das vernichtende Urteil von Union Investment. Berlien versuche vielmehr mit seiner „verwegenen Strategie“ der aggressiven Expansion ein „Wachstum um jeden Preis“. Das könne nicht Interesse der Aktionäre sein: „Wir haben das Vertrauen in den Vorstand verloren.“

Wenn er die Pläne nicht vor der Hauptversammlung im Februar stoppe, werde man ihm und dem Aufsichtsrat die Entlastung verweigern. Union ist mit 1,6 Prozent Anteil nur der siebtgrößte Aktionär. Doch die Stimmung ist so schlecht, dass ein Sprachrohr der Kritiker der Führung leicht die Hölle heiß machen kann. Womit aber hat Osram wirklich Zukunft? Ausgerechnet ein Spezialist für Licht scheint hier im Dunkeln zu tappen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.