Konjunktur: Ein Schluck Wasser in der Wüste

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Die Steuerreform ist zur letzten Hoffnung geworden, den privaten Konsum wieder in Gang zu bringen. Dessen Wachstum ist inzwischen völlig zum Erliegen gekommen.

Wien. Es ist noch nicht lang her, da galt Österreich als konjunktureller Musterschüler. Aber das ist vorbei. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Institut für Höhere Studien (IHS) ist die Konjunktur heuer nur um 0,7 Prozent gewachsen. Das ist zwar mehr als im Vorjahr, liegt aber nur hauchdünn über der Stagnationsmarke. Deutschland und die Eurozone lassen die Alpenrepublik hinter sich.

Die Hoffnung: Im kommenden Jahr soll die Konjunktur endlich ernsthaft anziehen. Laut Wifo um 1,4 Prozent, laut IHS sogar um 1,6 Prozent. Aber allein die Differenz in der Prognose – sowie die Erfahrungen mit immer wieder nach unten revidierten Voraussagen in den vergangenen Jahren – zeigen deutlich: Geht es um Voraussagen über die Zukunft, sind handelsübliche Tarot-Karten in etwa so verlässlich wie die Modelle der Ökonomen.

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Aber zumindest im Nachhinein wissen wir relativ genau, woran es in Österreich fehlt. An Konsum nämlich. Die privaten Haushalte werden seit Jahren durch hohe Teuerung sowie steigende Steuern und Gebühren gequält, was auf sinkende Reallöhne und sinkende Kaufkraft hinausläuft. Gleichzeitig gibt es auf den Sparbüchern keine Zinsen, die Sparquote sinkt. Davon versprechen sich einige Ökonomen zwar Wachstumsimpulse, in der Annahme, die Menschen würden das Geld einfach ausgeben. Aber wegen der sinkenden Reallöhne ersetzt das nun aktivierte Sparvermögen noch nicht einmal den verloren gegangenen Konsum.

Zumindest der Staat konsumiert brav

Kein Wunder also, dass sowohl Wifo als auch die Ökonomen der Bank Austria sich auf das „Wunder Steuerreform“ verlassen, wenn es um den privaten Konsum geht. Die im Jänner kommende Entlastung der Bürger soll sich sogleich in den Geschäften bemerkbar machen – so die Hoffnung. Österreich fällt seit Jahren hinter der Benchmark Deutschland zurück – vor allem beim privaten Konsum. In Deutschland sind die Realeinkommen seit 2012 um 0,8 Prozent gewachsen. In Österreich sind sie um 0,5 Prozent gesunken.

In dieser Konsumwüste soll die Steuerreform wie ein Schluck Wasser wirken. „In Österreich wird die Steuerreform den Konsum wieder etwas in Richtung des Ausmaßes von Deutschland stärken, damit können wir wieder etwas aufholen“, sagte Bank-Austria-Chefvolkswirt Stefan Bruckbauer am Freitag. Den Berechnungen der Bank zufolge soll die Reform einen Wachstumsschub von etwas mehr als 0,4 Prozent bringen.

Brutto betrage der positive Effekt sogar ein ganzes Prozent – von dem man allerdings 0,5 Prozentpunkte für die Gegenfinanzierung der Steuerreform abziehen müsse. Zudem kommen die kurzfristig positiven Nebeneffekte der Flüchtlingskrise. Die zusätzlichen Ausgaben für Flüchtlinge könnten das Wachstum um 0,2 bis 0,3 Prozent stärken – allerdings nur, wenn diese Ausgaben nicht woanders eingespart werden, also solange es für die Flüchtlingshilfe keine Gegenfinanzierung gibt. Irgendwann wird diese in der einen oder anderen Form allerdings notwendig werden, denn ein Staat hat nur eine einzige Einnahmequelle: seine Bürger. Via Staatsverschuldung lassen sich Steuererhöhungen lediglich nach hinten schieben.

Der staatliche Konsum (Ausgaben, die man nicht als Investition werten kann) ist zuletzt um 0,3 Prozent gestiegen, also mehr als doppelt so schnell wie der private Konsum. Und trotzdem gibt es Grund zur Hoffnung: Die heimischen Unternehmen investieren laut Wifo wieder verstärkt in Maschinen (plus 0,9 Prozent) sowie in Fahrzeuge (plus 3,1 Prozent). Auch die Industriekonjunktur belebte sich im dritten Quartal. Nach einer schwachen Phase im zweiten Halbjahr 2014 beschleunigte sich die Dynamik der Sachgütererzeugung seit August 2015: im zweiten Quartal um 0,5 Prozent, im dritten sogar um 0,7 Prozent. Die Hoffnung auf 2016 ist also nicht ganz unbegründet. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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