Österreich: Billiges Geld allein macht noch keine Immo-Blase

Mario Draghi
Mario Draghi(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Die Niedrigzinsen der EZB führen nicht zu Immobilienblasen, so eine deutsche Studie. Ihr gewagtes Musterbeispiel ist Österreich.

Wien. Am Donnerstag wird Mario Draghi an seinem Kurs im Grunde nichts ändern – und damit viel Kritik auf sich ziehen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank wird die Zinsen im Euroraum auf Rekordtief belassen und vielleicht sogar ankündigen, mehr Staatsanleihen aufzukaufen. Die lockere Geldpolitik wird prolongiert, und mit ihr wächst auch die Gefahr von neuen Blasen, warnen Analysten.

Drei Ökonomen geben nun Entwarnung: Sie haben sich im Auftrag der gewerkschaftsnahen deutschen Hans-Böckler-Stiftung Immobiliendaten aus 16 Industriestaaten näher angesehen. Ihr Fazit: Niedrige Zinsen allein führen nicht zwingend zur Überhitzung der Immobilienmärkte. Bei der US-Immobilienkrise 2007 hätte die lockere Geldpolitik nur deshalb so verheerend gewirkt, weil ein überdimensionierter Finanzmarkt immer verrücktere Finanzprodukte (Stichwort CDS) verbreitet habe. Auch die britische Immobilienkrise Ende der 1990er-Jahre sei aus ihrer Sicht eine Folge der Deregulierung, die immer mehr spekulative Käufer angezogen habe. An der Geldpolitik habe es nicht gelegen. Die britischen Zinsen waren damals auf hohem Niveau. Besonders ausgiebig widmen sich die Autoren ihrem „Musterbeispiel“ für ihre These: Österreich nach der Euro-Einführung.

Preise steigen schneller als in Eurozone

„Österreich ist ein Beispiel für ein Land, das eine Immobilienblase bisher verhindern konnte, obwohl es eine ,zu lockere‘ Geldpolitik hatte“, schreiben sie. Der für Österreich zu niedrige Leizins der EZB habe wenig Auswirkungen gehabt, weil das Land mittels sozialen Wohnbaus, Förderungen und straffer Regulierung des Immobilienmarktes erfolgreich dagegen gearbeitet habe. So feiern sie etwa die Tatsache, dass nur fünf Prozent der heimischen Immobilienbesitzer ihre Wohnung vermieten, weil der Staat privaten Vermietern hohe Hürden auferlegt.

Wirklich belegbar ist die These vom blasenfreien Österreich aber nicht. Abgesehen davon, dass billiges Geld auch in anderen Märkten Blasen füllen kann, stiegen die heimischen Immobilienpreise von 2007 bis 2013 um 39 Prozent an – stärker als in jedem anderen Euroland. Die viel zitierte Regulierung konnte nur wenig dagegen tun. Denn während Häuser am Land zunehmend günstiger werden, steigen die Preise für Wiener Immobilien, auf dem wohl am meisten regulierten Immobilienmarkt des Landes, weiter an. Das ist einerseits sicherlich dem steigenden Platzbedarf der wachsenden Stadt geschuldet. Glaubt man der OeNB, sind Wiener Immobilien dennoch um ein Fünftel „überbewertet“. „Das ist eine Auswirkung des billigen Geldes – mit unangenehmen Nebeneffekten wie zu geringem Wohnungsangebot, weil sich das Geschäft für Private nicht rechnet, und Schwierigkeiten beim Vermögensaufbau“, sagt Hanno Lorenz von der Agenda Austria.

Auch der Bonner Volkswirt Moritz Schularick sieht die Rolle der Währungshüter deutlich kritischer als die Hans-Böckler-Stiftung. Gemeinsam mit zwei Kollegen von der University of California hat er den Zusammenhang zwischen Geldpolitik und Immobilienblasen über 140 Jahre untersucht und einen „engen Zusammenhang“ gefunden, so Schularick. Für jeden Prozentpunkt minus bei den Zinsen stiegen die Immobilienpreise um fünf Prozentpunkte schneller an als die Einkommen.

Für die Ökonomen der Hans-Böckler-Stiftung ist das kein Argument. „Von einer Blase kann man nur sprechen, wenn die Preise auch wieder fallen“, sagt die Ökonomin Heike Joebges. Solange die Zinsen aber niedrig blieben, müsse es nicht unbedingt zu einem Preisverfall kommen. Eine Blase ist also erst dann eine Blase, wenn jemand eine Nadel holt und sie zum Platzen bringt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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