Herr Nowotny und „die Märkte“

European Central Bank Governing Council member Nowotny addresses a news conference in Vienna
European Central Bank Governing Council member Nowotny addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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„Die EZB kann und will sich nicht von den Märkten treiben lassen“, sagt Ewald Nowotny. Warum „die Märkte“ von der Zentralbank trotzdem nie genug bekommen.

Wien. Wenn Nationalbankchef Ewald Nowotny in der Öffentlichkeit auftritt, sieht er sich meist zwei Gruppen von Medienvertretern gegenüber. Einerseits heimischen Journalisten, die wissen wollen, was mit Konjunktur, Hypo, Heta, den Goldreserven und den Nationalbank-Pensionen passiert.

Und anderseits Vertretern internationaler Finanzmedien, die wissen wollen, warum die Europäische Zentralbank nicht so tut, wie es „die Märkte“ (also die internationalen Großbanken) gern hätten. Ewald Nowotny hatte diesmal eine ziemlich klare Antwort – nachdem „die Märkte“ von der Ausweitung der lockeren Geldpolitik durch die EZB am vergangenen Donnerstag wieder einmal enttäuscht waren.

„Die EZB kann und will sich nicht von den Märkten treiben lassen, die EZB hat eine eigene Agenda“, sagte Nowotny bei der Konjunktur-Pressekonferenz am Donnerstag. Ähnliche Aussagen gab es zuvor von anderen EZB-Vertretern.

Denn: „Es ist nicht die Aufgabe der EZB, die Märkte immer zu überzeugen. Genauso wie es nicht die Aufgabe der EZB ist, die Märkte immer zu enttäuschen“, so Nowotny. Generell sei die Frage, wie die Märkte auf die jüngsten geldpolitischen Entscheidungen der EZB reagieren, eher „ein Medienhype“, so der OeNB-Chef. „In der Realwirtschaft kommt das so nicht an, auch die Wechselkurs-Effekte sind nach kurzer Zeit wieder verpufft.“

Wenn Nowotny von der „eigenen Agenda“ der EZB spricht, muss er gar nicht erklären, was das ist. Denn tatsächlich gehört weder die Unterstützung des Aktienmarkts noch der Kauf von Staatsanleihen oder gar das „Anschieben“ der Konjunktur durch frisch gedrucktes Geld zu den Aufgaben der EZB. Die Europäische Zentralbank hat in ihrer geldpolitischen Rolle nämlich genau eine Aufgabe: Die Wahrung von Preisstabilität. Zu diesem Zweck strebt die Zentralbank eine jährliche Inflationsrate von „knapp bei aber unter zwei Prozent“ an.

Diese klare Ausrichtung des Zentralbank–Mandats ist die vielleicht größte Stärke des Euro. Denn andere Zentralbanken haben sich teilweise widersprechende Aufgaben. So muss die US-Notenbank Federal Reserve sowohl auf die Preisstabilität als auch auf die „Unterstützung des Arbeitsmarkts“ achten. Das Problem: Eine Zentralbank kann den Arbeitsmarkt zwar durch billiges Geld für einige Jahre „dopen“, aber billiges Geld aus der Zentralbank bedeutet langfristig eine höhere Inflation – was zu einer rascheren Entwertung des Geldes führt und das Ziel der Preisstabiltät gefährdet. Freilich: Ob die EZB sich brav an ihr eigenes Mandat hält, ist Gegenstand hitziger Debatten. Kürzlich wurde bekannt, dass nationale Notenbanken schon vor dem offiziellen Start von Quantitative Easing heimlich Staatsanleihen gekauft haben könnten. EZB-Chef Mario Draghi verneinte zuletzt zwar, dass es sich dabei um verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenpresse gehandelt haben könnte – aber der fahle Nachgeschmack bleibt.

Wo ist die Inflation?

Ironischerweise haben die Maßnahmen der EZB bisher eines nicht erreicht: Die Inflationsrate ist in den Jahren nach der Krise zwar kurz gestiegen – seit dem Verfall der Energiepreise liegt sie aber am Boden. Heißt: Die Befürchtungen der Gegner einer lockeren Geldpolitik, dass diese zu einer stärkeren Teuerung führen könnte, sind bisher eindeutig nicht eingetreten. Zumindest nicht auf breiter Front. Bei Immobilien und Nahrungsmitteln steigen die Preise ja durchaus.

Es gibt aber noch einen Sektor, in dem die „Preise“ seit der Krise gewaltig steigen. Die Aktienmärkte (Asset-Inflation). An ihnen nehmen allerdings nicht alle Menschen teil, sondern tendenziell diejenigen, die auch Geld zu investieren haben. Also etwa die internationalen Großbanken sowie ihre Kunden. Vielleicht ist das ja der Grund, warum „die Märkte“ von der EZB nie genug bekommen können. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)

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