US-Zinswende ist da: Fed erhöht Leitzinssatz

Janet Yellen, Präsidentin der US-Notenbank
Janet Yellen, Präsidentin der US-NotenbankBloomberg
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Die Märkte haben die seit 2006 erste Zinsanhebung auf 0,25 bis 0,5 Prozent vorweggenommen. In Amerika herrscht praktisch Vollbeschäftigung, doch schwächelnde Realeinkommen und der Anleihenmarkt machen Sorgen.

Washington. Das Erwartete ist eingetreten: die Federal Reserve erhöhte am Mittwoch ihren Leitzinssatz auf ein Niveau zwischen 0,25 und 0,5 Prozent. „Die Konjunktur ist in guter Verfassung und sollte das weiterhin bleiben“, erklärte Janet Yellen, Präsidentin der US-Notenbank, in Washington diese Entscheidung. „Mit schrittweisen Anpassungen der Geldpolitik wird sich das wirtschaftliche Wachstum moderat fortsetzen.“ Yellen gab allerdings auch zu bedenken, dass die hartnäckig niedrige Teuerungsrate von nur 0,25 Prozent binnen Jahresfrist per Ende Oktober unter den Erwartung der Fed liege und es „Raum für weitere Verbesserungen“ auf dem Arbeitsmarkt gebe. Yellen erklärte allerdings, dass das ungewöhnlich niedrige Teuerungsniveau in erster Linie auf zwei vorübergehende Effekte zurückzuführen sei, nämlich das Sinken der Energiepreise und die Aufwertung des Dollars, der somit die Einfuhr von Gütern billiger macht.

Die bisher letzte Erhöhung des US-Leitzinssatz ist fast ein Jahrzehnt her. Am 29. Juni 2006 hatte die Fed das getan, zum 17. Mal hintereinander – auf den aus heutiger Sicht beinahe astronomisch anmutenden Wert von 5,25 Prozent, der so hoch war wie seit Jänner 2001 nicht mehr. Im Weißen Haus amtierte Präsident George W. Bush, an der Spitze der amerikanischen Notenbank saß Ben Bernanke, und niemand hielt es für denkbar, dass zwei Jahre später die schwerste Finanzkrise seit 1945 ausbrechen würde. Amerikas Volkswirtschaft hatte sich nach dem Schock der Anschläge vom 11. September 2001 erholt, das Erhöhen des Leitzinssatzes war Ausdruck der Sorge der Notenbanker vor zu stark steigender Inflation.

Viele der langjährigen Gewissheiten über die Funktionsweise der Geldpolitik und die Fähigkeiten von Zentralbanken, die Preisentwicklung zu steuern und somit die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu setzen, wurden seither erschüttert. Das seit langer Zeit gleichsam als Naturgesetz betrachtete gegenläufige Verhältnis von Inflation und Arbeitslosenquote (steigt jene, sinkt diese – und umgekehrt) ist in Frage gestellt. Amerikas Arbeitsmarkt hat sich erholt, doch der Preisanstieg liegt, selbst wenn man die zyklisch schwankenden Energie- und Lebensmittelpreise herausrechnet, seit drei Jahren nur bei rund einem Prozent.

Die Märkte haben die Erhöhung des US-Leitzinssatzes großteils vorweggenommen, der Dollar hat heuer bereits um rund zehn Prozent aufgewertet, und nach Yellens Ankündigung stieg sein Kurs nur unwesentlich. Die wichtigen Fragen sind nun: Kann die Notenbank über das Mittel der Zinspolitik die Preisentwicklung vorhersehbar gestalten? Und welche Auswirkung wird die weitere schrittweise Anhebung dieses Zinssatzes haben, die Yellen für 2016 in den Raum stellte?

Das Problem mit den Ramschanleihen

Die Presse

Dabei scheint Amerikas Volkswirtschaft aus dem Schlimmsten heraus zu sein. Die Arbeitslosenrate beträgt seit Monaten rund fünf Prozent, das entspricht faktisch der Vollbeschäftigung. Doch nicht alles ist deshalb eitel Wonne, und das hat auch mit der Niedrigzinspolitik der Fed und ihrem langjährigen Programm zum Aufkauf von Anleihen an den Märkten zu tun. Diese Versuche, die Banken zur verstärkten Kreditvergabe zu animieren, und in weiterer Folge Unternehmen und Verbraucher zu Investitionen und Käufen, hat in einigen Bereichen der US-Volkswirtschaft für Preisblasen gesorgt. Sie dürften nun platzen, und das wird schwer zu prognostizierende Folgen haben. Für besondere Aufmerksamkeit sorgt derzeit der Markt für Ramschanleihen von Unternehmen mit schlechter Kreditwürdigkeit. Angesichts des niedrigen Zinsniveaus haben viele Fonds und selbst Mischkonzerne auf der Jagd nach Renditen diese Papiere eifrig gekauft; das billige Geld gab ihnen die Mittel dazu. Diese Nachfrage bricht nun weg, und viele Unternehmen müssen hohe Verluste aus diesen riskanten Geschäften verbuchen.

Darüber hinaus wachsen die realen Einkommen der Amerikaner erst seit Kurzem, und sie tun es nur schwach. Doch der Privatkonsum war die treibende Kraft hinter der Erholung. Die Fed muss also aufpassen, diese Quelle des Wachstums im neuen Jahr nicht mit zu schnellen Zinssatzanhebungen zum Versiegen zu bringen.

Die Nullzins-Ära in den USA

Die Zeit des ultra-billigen Geldes in den USA ist zu Ende. Die Notenbank Fed straffte am Mittwoch erstmals seit fast zehn Jahren die Geldpolitik. Die wichtigsten Fakten zur Null-Zins-Ära:

  • Dezember 2008: Die Fed senkt den Leitzins auf das Rekordtief von null bis 0,25 Prozent. Sie reagiert damit auf den freien Fall der Finanzmärkte nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers.
  • Jänner 2009 - August 2010: Die Notenbank kauft in großem Stil Hypotheken-Papiere, um den Immobilienmarkt zu stützen. Das Programm hat ein Volumen von 1,25 Billionen Dollar.
  • März 2009 bis Oktober 2009: Die Währungshüter kaufen US-Staatsanleihen im Volumen von 300 Milliarden Dollar auf.
  • November 2010 bis Juni 2011: Die Fed erwirbt weitere Staatsbonds für 600 Milliarden Dollar.
  • September 2012: Die Zentralbank lockert ihre Geldpolitik weiter und kauft zusätzliche Hypotheken-Papiere für monatlich 40 Milliarden Dollar.
  • Jänner 2013: Es kommen noch einmal monatlich Staatsanleihen im Wert von 45 Milliarden Dollar hinzu.
  • Oktober 2014: Die US-Währungshüter beenden ihre Käufe, nachdem sie diese zuvor schrittweise reduziert hatten.
  • Dezember 2015: Die Notenbank erhöht den Leitzins erstmals seit fast zehn Jahren. Der Schlüsselsatz steigt auf 0,25 bis 0,5 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17. Dezember 2015)

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