Hat die EZB ein Problem mit Freunderlwirtschaft?

Personalvertreter kritisieren angebliche nationale und persönliche Netzwerke in der EZB. Die dementiert – verspricht aber mehr Transparenz.

Wien/Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) sorgt in Deutschland wieder für Aufregung. Es ist diesmal aber nicht die lockere Geldpolitik der in Frankfurt ansässigen Institution, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht – sondern angebliche Freunderlwirtschaft und nationale Seilschaften in der Zentralbank.

Das „Handelsblatt“ veröffentlichte dazu am Mittwoch die Ergebnisse einer Mitarbeiter-Umfrage der EZB, für die nicht weniger als 2700 EZB-Angestellte befragt wurden. Das Ergebnis: 65 Prozent geben an, dass man am ehesten befördert werde, wenn man in der EZB die richtigen Leute kenne. 46 Prozent meinen, dass Beförderungen diejenigen bekämen, die ihren Job gut machen Und nur 19 Prozent meinen, dass es der Zentralbank gelänge, die „kompetentesten Mitarbeiter“ zu befördern.

Schon im Jahr 2011 haben die Ökonomen Harald Badinger und Volker Nitsch in einer Studie festgestellt, dass es in der EZB offenbar auch „nationale Netzwerke“ gibt. Das habe sich seitdem nicht geändert, kritisieren die Personalvertreter Carlos Bowles (Chef des Personalrats der EZB) und Johannes Priesemann (Leiter der Gewerkschaft IPSO, die viele EZB-Mitglieder vertritt) in einem Gastkommentar im „Handelsblatt“. „In mehreren Abteilungen gibt es Cluster von Managern und Beratern aus bestimmten Ländern“, so Bowles und Priesemann. So sei die Volkswirtschaftliche Abteilung stark von Deutschen beeinflusst, während im Risikomanagement die Spanier den Ton angeben und im Zahlungsverkehr Franzosen.

Delikate Balance

Die EZB kontert: Es gebe „vielfältige Gründe, warum die Nationalitäten in gewissen Bereichen nicht linear verteilt sind“. Die Einstellung erfolge rein leistungsorientiert. Die Personalvertreter fordern eine Reform der EZB-Personalpolitik, die der Zentralbank heute großen Spielraum lasse. Aus der EZB heißt es dazu, dass das Einstellungsverfahren schon jetzt so konzipiert sei, dass weder nach Herkunft noch nach Geschlecht oder persönlichen Verbindungen entschieden werde, sondern ausschließlich nach Qualifikation.

Aufgrund ihrer neuralgischen Bedeutung als Hüterin der europäischen Geldpolitik war die EZB von Anfang an als möglichst meritokratische und transparente Institution konzipiert worden. Jetzt gelobt die EZB weitere Transparenz, wie sie es schon in der Vergangenheit bei Kritik getan hat. Die Zentralbank versucht so, das delikate Verhältnis von nationalen und europäischen Interessen zu balancieren. Vorschläge, die EZB–Personalpolitik dem Einfluss des EU-Parlaments zu unterwerfen, lehnen aber sogar EU-Mandatare, etwa der Grüne Sven Giegold, ab. Es müsse aber eine bisher nicht vorgenommene Trennung zwischen dem alten Flügel Geldpolitik und dem neuen Flügel Bankenaufsicht stattfinden, so der Deutsche. (jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.