Es ist vieles faul bei Italiens Banken

A Monte dei Paschi di Siena advertising is seen on a screen in a bank window in downtown Milan
A Monte dei Paschi di Siena advertising is seen on a screen in a bank window in downtown Milan(c) REUTERS (STEFANO RELLANDINI)
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Stress mit der EZB, taumelnde Volksbanken – und jetzt verlieren auch noch zwei große Institute ein Viertel ihres Börsenwertes. Dahinter steckt eine verschleppte Strukturkrise im Sektor.

Wien/Mailand. Alter schützt vor Torheit nicht. Die toskanische Bank mit dem würdevollen Namen Monte dei Paschi di Siena gilt als älteste der Welt. Carige ist in Genua zu Hause, wo das moderne Geldwesen seinen Anfang nahm: Auf den steinernen Bänken an den Hauswänden der „Piazza Banchi“ saßen im Mittelalter die ersten Wechsler und Kreditgeber. Doch Jahrhunderte an einschlägiger Erfahrung konnten nicht verhindern, dass die Senesi heute auf einem „Monte“ von notleidenden Krediten hocken und zwei Ex-Topmanager der Ligurer wegen Betrugs und Geldwäsche hinter Gittern sitzen.

Von Silvester bis Anfang dieser Woche haben beide Banken an der Börse ein Viertel ihres Wertes verloren. Zeitweise setzte man in Mailand sogar ihren Handel aus und verbot Leerverkäufe. Doch der Absturz ging weiter, war also wohl kein Werk böser Spekulanten. Bis heute haben sich die Kurse kaum erholt. Noch am Freitag blieben sie unter der psychologischen Marke von einem Euro – zwei kümmerliche Pennystocks. Auch die Anleihen sind eingebrochen, der Markt hält sie für hochriskant.

Zu schwach für ein Bail-in

Warum aber gerade jetzt? Ernste Probleme haben beide Häuser schon seit Jahren. Beim Stresstest der EZB im Herbst 2014 fielen europaweit 25 Kandidaten durch, davon allein neun in Italien. Sieben davon waren kleinere Genossenschaftsbanken, die größten Lücken wiesen die zwei Großkaliber auf.

Die Währungshüter verordneten ihnen Kapitalerhöhungen. Sie sind auch erfolgt, konnten aber nur kurz Löcher stopfen. Auch diverse Rosskuren, der Austausch der Führung und neue Kernaktionäre brachten keine Erholung. Aber dass die Investoren nun auf einmal kalte Füße bekommen, hat natürlich nichts mit dem spät ausgebrochenen Winter zu tun. Auch nicht unmittelbar mit den Querelen um vier Volksbanken, die der Staat im Dezember unter Kuratel stellte, um sie vor der Pleite zu bewahren. Aber dazwischen liegt der Jahreswechsel, an dem die EU-Richtlinie zur Bankenrettung in Italien Gesetz wurde – und eben damit hängen beide Turbulenzen zusammen.

Die Direktive aus Brüssel, beschlossen zu Zeiten der Zypern-Krise, macht aus dem bisher üblichen Bail-out ein Bail-in, aus der Rettung von außen eine von innen. Nicht mehr der Staat – und damit der Steuerzahler – soll taumelnde Geldhäuser auffangen, sondern die Besitzer ihrer Aktien und Anleihen, auch größere Sparer. Das wollte Finanzminister Padoan bei den vier Regionalbanken noch rechtzeitig abwenden.

Aber schon da standen plötzlich 12.500 Besitzer nachrangiger Anleihen, oft ahnungslose Kleinanleger, mit leeren Händen da. Ein verzweifelter Pensionist nahm sich deshalb sogar das Leben. Der Aufschrei hallt nach und breitet sich aus. Denn mit dem Bail-in müssen nun alle, die ihr Geld in eine Bank stecken, bei einer Schieflage bluten. Welches Risiko das für sie bedeutet, machen sich viele erst jetzt bewusst. Die Folge: Sie stoßen ihre wenig krisensicheren Titel ab – und lassen deren Kurse purzeln.

Wenig Kapital, Kredite in Not

Hinter all dem steckt eine verschleppte Strukturkrise des Sektors. Zwar ist er recht unbeschadet durch die Finanzkrise gekommen, weil die Italiener die Finger vom toxischen US-Hypothekenmarkt gelassen haben. Aber es gibt tiefer sitzende Probleme: Viele Institute sind zu klein, ihre Kapitaldecke zu dünn, ihre Führung zu schwach.

Schlechte Voraussetzungen, um eine jahrelange Rezession zu durchtauchen, die den Bestand an notleidenden Krediten auf 180 Mrd. Euro anschwellen ließ. Dazu kommen bei Volks- und Genossenschaftsbanken, die stark in ihrer Region verwurzelt sind, ähnliche Schwächen, wie man sie von spanischen Cajas kennt: ein Filz aus Vetternwirtschaft, persönlicher Bereicherung und Korruption – eng verflochten mit regionaler Politik.

Was die Banken auch früher kaum sahen, war Geld aus Rom. Anders als in Deutschland, Österreich, Irland oder Spanien fehlten Rettungsprogramme und Notverstaatlichungen großer Institute. Nicht aus ordnungspolitischer Zurückhaltung: Italiens Staat hätte sich eine beherzte Hilfe wegen seiner immensen Verschuldung (132 Prozent des BIPs) und seiner chronischen Defizite gar nicht erlauben können. So kam es aber auch nie zum kräftigen Neustart bei gefährdeten Banken. Ihr Krisenfeuer schwelte weiter und könnte nun einen Flächenbrand entfachen. Es sei denn, sie finden, was ihnen die EZB schon lange zu suchen empfiehlt: einen potenten Bräutigam. Dieser aber müsste wohl aus dem Ausland kommen – und wäre deshalb in Italien nicht gern gesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)

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