Ölpreis und Notenbanken treiben Börsen vor sich her

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Die Volatilität auf den Aktienmärkten hielt auch in der dritten Handelswoche an. Tiefe Abstürze und kräftige Erholungen wechselten einander ab. Vor allem auf Veränderungen beim Ölpreis reagieren die Anleger derzeit äußerst sensibel.

Wien. Sieht man von Energiefirmen und ölexportierenden Volkswirtschaften ab, ist ein niedriger Ölpreis eigentlich nichts Schlechtes für Unternehmen: Sie können billiger produzieren, ihre Kunden verfügen über mehr Kaufkraft. Der steile Absturz des Ölpreises in den vergangenen eineinhalb Jahren – Brent-Öl hat sich seitdem um fast drei Viertel verbilligt – macht den Anlegern aber zunehmend Sorgen.

Zum einen handelt es sich um das Indiz einer viel schwächeren Weltkonjunktur als bisher angenommen – auch wenn derzeit mehr das Überangebot auf den Preis drückt als eine mangelnde Nachfrage. Zum anderen fürchtet man eine Pleitewelle in der US-Frackingindustrie, deren Vorhaben sich bei einem längerfristig so niedrigen Ölpreis nicht rechnen.

So kam es, dass die Börsen in den vergangenen Tagen fast jede Bewegung des Ölpreises nach oben oder unten nachhüpften. Als der Preis für Brent-Öl Mitte der vergangenen Woche auf ein Zwölfjahrestief fiel, rutschten auch die Börsen auf ein neues Zwischentief seit August ab. Doch als EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag andeutete, dass es bereits im März zu einer weiteren Lockerung der europäischen Geldpolitik kommen könnte, reagierten sowohl Ölpreis als auch Börsen mit Kursaufschlägen.

Auf anhaltende Geldströme können die Märkte heuer jedenfalls hoffen. Die Geldpolitik werde expansiv bleiben, insbesondere die EZB, die Bank of Japan und die Bank of China würden weitere expansive Schritte setzen, glaubt Gerold Permoser von der Erste Asset Management. Auch die US-Notenbank dürfte weniger Zinsschritte setzen als ursprünglich geplant.

Schwankungen nehmen zu

Doch sollte man sich auch auf stärkere Volatilität einstellen: Die zunehmende Regulierung führe dazu, dass sich Banken aus dem Handel zurückziehen, was die Liquidität senkt und die Schwankungsintensität erhöht. Auch Wertsicherungsstrategien, also automatische Verlustbegrenzungen, bei denen automatisch verkauft wird, wenn die Kurse unter eine bestimmte Schwelle fallen, verstärken Abwärtstrends. Zudem stehen politische Entscheidungen an (Präsidentenwahl in den USA, EU-Referendum in Großbritannien), Krisen (Syrien-Krieg, Flüchtlingskrise) könnten sich verschärfen und negativen Einfluss auf die Börsen haben.

Analysten äußern sich differenziert zu den Marktaussichten. So sehen die Experten der Erste Group europäische und japanische Aktien positiv, asiatische und osteuropäische Schwellenländermärkte neutral und die USA (wegen der flachen Gewinndynamik und der Zins- und Wechselkursrisken) eher negativ. Bei Schwellenländern, die seit 2011 den entwickelten Märkten hinterherhinken, sollte man wegen weiterhin schwacher Rohstoffpreise auch heuer keine Trendwende erwarten.

Innerhalb der Branchen halten sie einen „taktischen Turnaround“ (eine Trendwende wegen des starken Preisverfalls) bei den schwer abgestürzten Energieunternehmen für möglich. Auch bei Konsumgüter- und IT-Firmen sind sie optimistisch. Die Finger lassen würden sie von Telekomfirmen (wegen des Margendrucks). (b. l.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2016)

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