Steuer: Google steht in London am Pranger

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Der Internet-Gigant aus den USA muss sich nach einem Steuer-Deal mit dem britischen Fiskus einer Parlamentsanhörung in London stellen. Die Empörung über eine moderate Steuernachzahlung ist groß.

London. Es wird eng für die Giganten des Internet-Zeitalters mit den steuerschonenden Schlupflochabkommen und ihre Freunde in der Politik. Eine Vereinbarung mit dem britischen Fiskus über eine Steuernachzahlung von 130 Millionen Pfund (170 Millionen Euro) hat dem US-Konzern Google nicht etwa Lob und Anerkennung eingebracht, sondern wütende Kritik. Sprach Schatzkanzler George Osborne am Wochenende noch von einem „großen Erfolg für die Regierung“, musste Google, gestern, Donnerstag, nach schweren Vorwürfen einer parlamentarischen Anhörung am 11. Februar zustimmen.

Dabei wird der Internetriese erneut am Pranger stehen. Immerhin ist die Steuervereinbarung selbst für Experten nicht leicht nachvollziehbar. Allein in Großbritannien machte Google im Vorjahr einen Gewinn von 7,2 Milliarden Pfund. Doch selbst wenn man die nun vereinbarten 130 Millionen Pfund berücksichtigt, hat das Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren lediglich 200 Millionen Pfund an den britischen Fiskus bezahlt. Das entspricht einer effektiven Steuerleistung von 2,77 Prozent, während die Körperschaftsteuer bei 20 Prozent liegt.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn wusste wohl erstmals seit seiner Wahl zum Labour-Vorsitzenden im Vorjahr die Stimmung des Volkes auf seiner Seite, als er am Mittwoch im Unterhaus Premierminister David Cameron spöttisch fragte: „Kann er vielleicht erklären, wie ein Arbeitnehmer, der 30 Jahre lang Steuern gezahlt hat, ein ähnlich günstiges Arrangement bekommen kann?“ Camerons früherer Direktor für Strategie, Steve Hilton, dessen Frau Kommunikationschefin von Google war, kritisierte, dass die Internetfirmen als „außerhalb des Gesetzes“ behandelt würden.

Der Wirbel um den Steuer-Deal mit Google trifft auch andere. Nach Medienberichten sind auch Amazon und Facebook in „fortgeschrittenen Gesprächen“ mit dem britischen Fiskus über ihre Steuerleistung. Die Unternehmen haben einige Verhandlungsmacht: Google baut in London mit einer Investition von einer Milliarde Pfund seine neue Europazentrale, die 5000 neue Arbeitsplätze schaffen soll. Amazon kündigte erst in der Vorwoche an, in Großbritannien die Mitarbeiterzahl in diesem Jahr um 2500 auf 14.000 erhöhen zu wollen.

In Zeiten, in denen traditionelle Industriezweige wie Kohle oder Stahl um ihr Überleben kämpfen und Zehntausende um ihre Arbeitsplätze bangen, sind das für jede Regierung starke Argumente. Zudem weisen die Unternehmen alle Vorwürfe zurück. In einem Brief an die „Financial Times“ schrieb Peter Barron, der Europa-Chef von Google, diese Woche: „Regierungen machen Gesetze, die Steuerbehörden setzen diese Gesetze um, und Google hält diese Gesetze ein.“ Kritiker der Vereinbarung würden „internationale Steuervereinbarungen und ihre Funktionsweise“ übersehen.

Aus Großbritannien und Irland darf sich EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici auch wenig Unterstützung bei seinem Kampf gegen Steuerschlupflöcher erwarten. Die grüne Insel ist Sitz der Europazentrale von Apple und deshalb um jeden Preis bemüht, die reichste Firma der Welt im Land zu halten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2016)

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