"Merkel hat Europa ein gewaltiges Problem aufgebürdet"

Paul Collier
Paul CollierDie Presse (Michaela Bruckberger)
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Der Oxford-Ökonom Paul Collier plädiert in der "Welt" für einen radikalen Wandel in der Migrationspolitik. Merkel kann er nicht verstehen. Denn die EU sei für die Aufnahme der Flüchtlinge nicht zuständig.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sei verantwortlich für die Flüchtlingskrise in Europa, sagt der britische Ökonom und Migrationsforscher Paul Collier. Der 62-Jährige lehrt an der Uni Oxford und veröffentlichte 2014 das Buch "Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen". Vor 2015 seien Flüchtlinge für Europa kein großes Thema gewesen, sagt Collier heute in einem Interview mit der "Welt". Doch nun hätten nicht nur Syrer, sondern auch hunderte Millionen Arme Merkels Botschaft empfangen, dass Europas Türen offen sind. Es handle sich um "eine gewaltige Masse, die, wenn sie sich einmal in Bewegung setzt, kaum noch steuerbar ist."

"Ich verstehe bis heute nicht, warum Frau Merkel so gehandelt hat. Sie hat Deutschland und Europa damit definitiv ein gewaltiges Problem aufgebürdet", so Collier weiter. Sein nüchternes Fazit: "Deutschland hat keinen einzigen Syrer vor dem Tod gerettet. Im Gegenteil: Deutschland hat trotz bester Absichten eher Tote auf dem Gewissen". Gemeint ist damit der gefährliche Weg nach Europa.

"Kein Anspruch auf Platz im Wohlstandshimmel"

Zäune oder Zahlungen an die Türkei würden das Problem nicht lösen, meint der Ökonom. Vielmehr müsse man den Menschen kommunizieren, dass sie in sichere Anrainerstaaten flüchten müssen und Europa für die Aufnahme nicht zuständig sei. Dies sei wichtig, denn: "Zum einen kommen die Flüchtlinge in das sichere Nachbarland am einfachsten hinein, ohne sich unnötig in Gefahr zu bringen. Und wenn wieder Frieden in ihrer Heimat herrscht, können die Flüchtlinge auch sehr einfach wieder zurück und beim Wiederaufbau helfen."

Angesprochen auf den Zustand der Flüchtlingslager in den angrenzenden Gebieten meinte Collier, er habe selbst ein Lager in Jordanien besucht. Es sei "erträglich" gewesen. Collier: "Wir müssen den Menschen, die ihre Heimat nicht freiwillig verlassen haben, helfen. Aber deshalb haben sie noch lange keinen Anspruch auf einen Platz im europäischen Wohlstandshimmel." Allerdings hätten die reichen Länder die Aufgabe, die Schwellenländer "angemessen zu entschädigen".

Deutsche sollen Jobs in Jordanien schaffen

Wichtig sei außerdem, Jobs für Flüchtlinge in Jordanien oder der Türkei zu schaffen: "Wer Jobs schafft, hat auch eine gewisse Kontrolle über die Flüchtlinge", so Collier. Deutsche Unternehmen würden auch massenhaft Arbeitsplätze nach Polen verlagern. Das könne man genauso gut in Jordanien machen.

>>> Interview in der "Welt"

(sk)

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