Pharma: Milliardendeals ohne Ende

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Im Vorjahr gaben die Pharmafirmen weltweit 300 Milliarden Euro für Fusionen und Übernahmen aus. Der Trend dürfte heuer anhalten. Doch Börsianer sollten aufpassen.

Wien/Washington. Fast wöchentlich gibt es in der Pharma- und Medizinbranche einen neuen Milliardendeal. Am Montag wurde bekannt, dass die US-Firma Abbott Laboratories für 5,8 Milliarden US-Dollar den Diagnostikspezialisten Alere übernehmen will. Für die Aktionäre von Alere ist das ein tolles Geschäft. Denn Abbott bietet 56 US-Dollar für eine Alere-Aktie. Das ist ein Aufschlag von 51 Prozent gegenüber dem Alere-Schlusskurs vom Freitag. Alere ist auf Schnelltests in Arztpraxen spezialisiert. In den USA wenden immer mehr Mediziner solche Tests an. Damit können sie feststellen, ob ihre Patienten bestimmte Krankheiten wie beispielsweise HIV haben.

Einer am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Studie des Beratungsunternehmens EY (Ernst & Young) zufolge haben die Pharmafirmen im Vorjahr weltweit 329 Milliarden US-Dollar (301 Milliarden Euro) für Fusionen und Übernahmen ausgegeben. Das ist ein neuer Rekord. Dabei sticht allerdings eine große Transaktion hervor. So lässt sich der Pharmariese Pfizer die Übernahme des Botox-Herstellers Allergan 160 Milliarden US-Dollar kosten. „Das ist nicht nur der größte Deal in der Life-Sciences-Branche, sondern der drittgrößte Deal, der jemals über alle Branchen hinweg getätigt wurde“, so die EY-Studie. Die Übernahmewelle dürfte heuer anhalten. Doch die vielen Transaktionen vom Vorjahr hinterlassen Spuren. „Die Schulden sind gestiegen, viele Unternehmen haben bereits tief in die Kriegskasse gegriffen“, schreibt EY.

Daher habe die Feuerkraft – gemeint sind die Mittel, die Unternehmen für Zukäufe mobilisieren können – leicht nachgelassen. Sie liege derzeit bei knapp 1,18 Billionen US-Dollar. Das seien sechs Prozent weniger als 2015. Doch in Summe sei die Feuerkraft nach wie vor hoch, analysiert EY.

Erich Lehner, Partner bei EY Österreich, spricht von einer „historisch einmaligen Situation“: Kredite seien günstig, „viele Unternehmen haben selbst über die Jahre eigenes Kapital angehäuft und die Bereitschaft zum Tausch ganzer Unternehmensteile ist in der Branche so groß wie nie zuvor“. Für die Fusionswelle gibt es mehrere Gründe. Die großen Pharmariesen stehen wegen auslaufender Patente teilweise unter Druck. Sie kaufen andere Unternehmen auf, um die Lücken im eigenen Portfolio zu schließen.

Wie herausfordernd die Lage ist, zeigt sich bei Pfizer. Im Vorjahr ging der Gewinn um 15 Prozent auf 7,7 Milliarden Dollar zurück. Grund dafür ist der Geschäftsrückgang mit älteren Medikamenten, die keinen Patentschutz mehr haben oder diesen bald verlieren werden. Investoren, die sich jetzt für die Pharmabranche interessieren, müssen aufpassen. Im Vorjahr haben die Kurse vieler Konzerne die Erwartungen der Börsianer enttäuscht. Eine Ausnahme waren meist die Aktienkurse von Firmen, die übernommen wurden.

Hillary Clinton schaltet sich ein

Fondsmanager James Canos rät, den amerikanischen Pharmasektor derzeit zu meiden. Denn im US-Wahlkampf sind die zuletzt stark gestiegenen Preise für neue Medikamente ein wichtiges Thema. So kündigte Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton an, den Preiswucher mit verschiedenen Maßnahmen eindämmen zu wollen. Die Äußerung von Clinton sorgte dafür, dass die Aktienkurse einiger Pharmaunternehmen gefallen sind.

Zu beachten ist außerdem, dass die Pharmakonzerne rund die Hälfte des weltweiten Umsatzes in vier Ländern (USA, China, Brasilien und Russland) erzielen. In vielen dieser Länder schwächelt aber die Wirtschaft. Außerdem sparen viele Staaten gegenwärtig bei den Gesundheitsausgaben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2016)

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