Ein Finanzminister für Europa?

Deutsche Bundesbank President Weidmann arrives for the annual news conference in Frankfurt
Deutsche Bundesbank President Weidmann arrives for the annual news conference in Frankfurt(c) REUTERS (ALEX DOMANSKI)
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Seit 2011 flammt die Diskussion über ein EU-Finanzministerium regelmäßig auf. Deutschland steht bisher auf der Bremse. Jetzt spricht sich aber auch Bundesbank-Chef Weidmann dafür aus.

Wien. „Eine stärkere Integration scheint der naheliegende Weg zu sein, um das Vertrauen in den Euroraum wiederherzustellen (. . .) Zu diesem Zweck müssten die Euroländer natürlich in erheblichem Maße Souveränität und Befugnisse auf die europäische Ebene übertragen.“ Teil dieser Übertragung: die „Schaffung eines gemeinsamen Finanzministeriums für den Euroraum“.

Würden diese Worte, die im Rahmen eines Gastkommentars am Montag in der „Süddeutschen Zeitung“ erschienen sind, aus der Feder eines EU-Vertreters stammen, wäre der öffentliche Widerhall wohl mehr als überschaubar gewesen. Doch es war Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank und enger Vertrauter der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, der zusammen mit seinem französischen Pendant, François Villeroy de Galhau, den Kommentar verfasste.

Trichet als Vater der Idee

Weidmann ist somit der erste hochrangige Vertreter der deutschen Wirtschaftspolitik, der sich offen für eine Vergemeinschaftung der europäischen Fiskalpolitik ausspricht. Angesichts des großen Aufruhrs, den er damit auslöste, bemühte er sich im Laufe des Montags zwar, seine Aussagen etwas abzuschwächen. Es handle sich lediglich um eine „theoretische Option“, die er nicht prioritär anstrebe und die aufgrund von mangelnden politischen Mehrheiten auch nicht durchsetzbar sei. Dennoch ist sein Vorstoß angesichts der bisherigen deutschen Ablehnung durchaus bemerkenswert.

Denn ganz neu ist die Idee eines europäischen Finanzministeriums nicht. Der aus Frankreich stammende ehemalige EZB-Präsident Jean-Claude Trichet brachte das Thema im Jahr 2011 (damals noch als Chef der EZB) erstmals aufs Tapet. Er umriss in einer Rede seine Vorstellungen dieser neuen Behörde: Sie solle nicht unbedingt ein großes Budget verwalten, sondern sich darum kümmern, dass die Budgetdisziplin und die Wettbewerbsfähigkeit in den einzelnen Mitgliedsländern der Eurozone passen. Zudem solle sie die EU in den internationalen Institutionen vertreten. Von der deutschen Regierung wurde dieser Vorschlag damals jedoch rigoros abgelehnt. Bestehende Probleme müssten mit bestehenden Mitteln gelöst werden.

Dies änderte sich vier Jahre später allerdings ein wenig, als das französische EZB-Direktoriumsmitglied Benoît Coeuré die Idee von Trichet erneut aufgriff. „Dieses Ministerium könnte dafür zuständig sein, wirtschaftliche Ungleichgewichte und Haushaltsungleichgewichte zu verhindern sowie Krisen im Eurogebiet zu bewältigen“, so Coeuré, der in dieser Frage auch den Rückhalt des aktuellen EZB-Chefs, Mario Draghi, haben soll. Unterstützung gab es dafür auch von Frankreichs Finanzminister, Emmanuel Macron: „Wir brauchen Regeln, wir brauchen aber auch Institutionen, die sich an verschiedene ökonomische Verhältnisse anpassen, wie das die EZB erfolgreich in der Geldpolitik getan hat.“

Ablehnung geht zurück

Aus Deutschland kamen zwar erneut skeptische Worte. Gleichzeitig wurde jedoch bekannt, dass im Berliner Finanzministerium sehr wohl Überlegungen angestellt wurden, die ein steuerfinanziertes Budget für ein europäisches Finanzministerium einschließen. Und auch am Montag war die Ablehnung nicht mehr so scharf wie 2011. „Die beiden Notenbanker greifen die schon bekannte Ansicht der Bundesregierung auf, dass nicht weniger, sondern mehr Europa die Antwort auf die aktuelle Herausforderung darstellt“, so eine Sprecherin von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Allerdings handle es sich dabei um langfristige Überlegungen. Die konkrete Idee eines europäischen Finanzministeriums wollte sie nicht kommentieren.

In Österreich ist man in dieser Frage noch weitgehend uneins. Bei der Nationalbank zeigt man sich Feuer und Flamme für den Vorstoß von Weidmann und Villeroy de Galhau. „Wir halten diese Idee im Prinzip für sehr gut, sie ist aber wahrscheinlich politisch nicht umsetzbar“, heißt es auf Anfrage. Mit einem EU-Finanzministerium wären viele Probleme der Eurozone besser bewältigbar. Anders sieht man die Lage im Finanzministerium. „Man kann über alles diskutieren, und wir sind gegenüber Vorschlägen zur Weiterentwicklung immer offen. Aber wir sind sehr skeptisch, wenn es darum geht, neue Posten zu schaffen“, so eine Sprecherin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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