Das KaDeWe wird in vier Viertel geteilt

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FILE GERMANY ISRAEL EU BOYCOTT APA/EPA/MAURIZIO GAMBARINI
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Deutschlands bekanntestes Warenhaus wird radikal umgebaut. Das Kaufhaus des Westens in Berlin soll moderner und übersichtlicher werden.

„A man lost in time near KaDeWe“, sang David Bowie in seiner Berlin-Hymne „Where Are We Now?“ aus dem Jahr 2013. Wo man gerade ist, fragt sich aber auch so mancher Besucher im Kaufhaus des Westens, das der kürzlich verstorbene Musiker in seinem Text verewigt hat. Denn es ist ein mächtiges Gebäude, eine eigene, riesige Welt, die sich eröffnet, wenn man Deutschlands größtes Warenhaus über den Haupteingang an der Tauentzienstraße betritt. Weil es so endlos wirkt und so viele Optionen bietet, dass zunächst nicht klar ist, ob man nun links, rechts, hinauf oder hinunter gehen soll. Ein Gefühl, das auch nicht so schnell nachlässt.

Genau das ist ein Problem, glauben zumindest die Betreiber des KaDeWe. Zu unübersichtlich, zu wenig strukturiert ist das Haus. Und zu allem Überfluss, glauben die Betreiber, werde der Platz für die Präsentation der Produkte nicht gut genutzt. Das ist auch der Grund, warum nun alles ganz anders werden soll. Das Gebäude mit seinen 60.000 Quadratmetern soll aufgeteilt werden. Vier Viertel soll es künftig geben, von denen jedes eine andere Zielgruppe ansprechen soll. Und nein, das KaDeWe wird nicht filetiert, es wird weiter unter dem bekannten Namen als Warenhaus fungieren, nur eben unterteilt in kleinere, leichter zugängliche und steuerbare Bereiche. Etwa so, wie auch eine Stadt aus mehreren Vierteln mit ganz bestimmten Eigenschaften zusammengesetzt ist.

Seit seiner Gründung durch den Kaufmann Adolf Jandorf im Jahr 1907 hat das KaDeWe schon einiges erlebt. Modernisiert und erweitert in den 1930er-Jahren, 1943 im Krieg fast völlig zerstört, 1950 wiedereröffnet, im Lauf der Jahre massiv ausgebaut, ehe es seit 1996 mit einer Verkaufsfläche von rund 60.000 Quadratmetern zum zweitgrößten Warenhaus Europas wurde – nur Harrods in London hat mit 90.000 Quadratmetern mehr Verkaufsfläche. Und nun steht dem Haus, das im geteilten Berlin nach dem Krieg zu einem Symbol des Wiederaufbaus und des westlichen Überflusses wurde, der nächste große Wandel bevor.

Das hat wiederum mit den Eigentumsverhältnissen des KaDeWe zu tun. 1927 wurde es in den Hertie-Konzern eingegliedert, 1994 von Karstadt übernommen – dessen Premiumsegment, zum dem auch das Alsterhaus in Hamburg und der Oberpollinger in München gehören, übernahm wiederum 2014 die österreichische Signa Group des Immobilieninvestors René Benko. Und dieser holte im Vorjahr die italienische La-Rinascente-Gruppe als strategischen Partner, der sich nun dem operativen Geschäft widmet.


Kreisförmiger Hohlraum. Im April soll der Umbau starten, 2022 soll er abgeschlossen sein. Ab dann soll jeder der vier Quadranten einen eigenen Eingang mit eigener Adresse haben und auch im Inneren – etwa in Hinblick auf Oberflächen und Materialien – unterschiedlich gestaltet sein. Wobei das zentrale Erkennungsmerkmal jedes Bereichs ein eigenes Atrium sein soll. Der spektakulärste ist dabei ein kreisförmiger, konzentrischer Hohlraum, durch den sich Rolltreppenrampen nach oben schrauben. Die Idee hinter der Aufteilung: Die Orientierung soll wegen der kleineren Geschoßflächen und der unterschiedlich gearbeiteten Innengestaltung leichter fallen.

Ein spektakulärer Umbau, der kolportierte 180 Millionen Euro kosten soll. Und der nebenbei auch noch während des laufenden Betriebs passieren wird. Schließlich kann und will man auf den Umsatz von rund zehn Millionen Kunden, die pro Jahr hierher kommen, nicht verzichten. Schritt für Schritt wird ein Viertel nach dem anderen angegangen. Bis am Ende vier Einkaufswelten unter einem Dach versammelt sind. Das ändert natürlich vieles am Charakter des KaDeWe. Womöglich zu viel? Nein, meint Gerd Hessert, Handelsexperte der Uni Leipzig: „Sie müssen ein solches Haus in gewissen Abständen immer wieder frisch machen und neu in den Markt stellen.“ Wichtig sei, dass beim Umbau nicht die Stärken des KaDeWe aufgegeben würden, „diese Vielfalt, das Verwinkelte, das Entdecken von neuen Waren, von Dingen, die es nur hier gibt – und natürlich die schiere Größe“. Eine bessere Orientierung sei aber positiv. Damit die Kunden die Zeit, die sie im Warenhaus sind, tatsächlich mit Shopping verbringen können – und nicht mit der Frage, wo sie denn jetzt genau sind und wohin sie müssen.

Vielmehr meint Hessert, dass das Haus dadurch vielleicht sogar etwas von seiner ganz alten Qualität zurückgewinnen könnte: „Bei der Übernahme durch Karstadt ist damals die Patina des KaDeWe ein wenig verloren gegangen, es ist zu einer Art Karstadt-Filiale geworden.“ Nur eben etwas luxuriöser – mit den üblichen Verdächtigen à la Gucci, Versace oder Chanel, die im Erdgeschoß als „Luxusboulevard Beauty“ zusammengefasst sind.


Dreieinhalb Stunden shoppen. Nicht rütteln sollten die Betreiber am Feinschmeckerbereich im sechsten Stock, meint der Experte für Warenhäuser: „Es gibt nirgendwo in Berlin eine größere Verweiletage als hier“, sagt Hessert, „eigentlich muss man sie unter Marketing verbuchen.“ Sie sei mitverantwortlich dafür, dass die Verweildauer der Menschen im KaDeWe so hoch sei. Weil es so viel zu sehen gibt – und zum Kosten. Vom kleinen Imbiss à la Hackepeterbrötchen über eine Käseplatte im Bistro von Paul Bocuse bis zum geräucherten Stör oder einer gemischten Austernplatte. Laut Schätzungen verbringen Besucher auf den sieben Etagen des Hauses bis zu dreieinhalb Stunden.

Eine Modernisierung, nach der die Besucher weiterhin das vorfinden, was sie vom KaDeWe erwarten, aber in einem moderneren Gewand, das soll der Umbau leisten. Dafür haben die Betreiber den holländischen Architekten Rem Koolhaas engagiert. Er hat mit seinem Büro OMA das Konzept mit den vier Quadranten entwickelt. Und ja, der Übergang von einem Viertel zum anderen wird weiter möglich sein.

Abgesehen von der Viertelung des Hauses ist aber noch eine weitere Neuerung geplant – das überwölbte Dachrestaurant verschwindet. Stattdessen soll ein riesiges Panorama-Glasdach entstehen, in dem neben einer Aussichtsterrasse mit Blick über Berlin auch eine Bar und ein Restaurant untergebracht werden sollen. Und das Restaurant, so wünscht man es sich bei La Rinascente, soll auch außerhalb der KaDeWe-Öffnungszeiten zugänglich sein, extra dafür sind sogar eigene Außenaufzüge geplant.

Das KaDeWe zählt bei Touristen übrigens zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Berlins. Das hat wohl nur bedingt damit zu tun, dass David Bowie in seiner Berlin-Ära hier Lebensmittel eingekauft hat. Aber es mag auch ein wenig zum Mythos des Hauses beitragen.

Eine Institution

Das Kaufhaus des Westens wurde 1907 vom Kaufmann Adolf Jandorf mit etwa 24.000 Quadratmetern Verkaufsfläche gegründet. In mehreren Schritten und unter verschiedenen Eigentümern wurde die Fläche auf 60.000 Quadratmeter erweitert. Damit ist es nach Harrods in London das zweitgrößte Warenhaus Europas.

www.kadewe.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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