"Die Erdölversorgung nach 2020 ist gefährdet"

Russlands Energieminister Alexandr Nowak.
Russlands Energieminister Alexandr Nowak.(c) APA/AFP/ATTA KENARE
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Russland hat großen Einfluss auf den Ölpreis und setzt diesen auch politisch ein. Ein zu niedriger Ölpreis berge mittelfristig enorme globale Risken, meint der russische Energieminister, Alexandr Nowak, im Gespräch mit der "Presse".

Die Presse: Bei Ihrem Treffen mit Ihren Kollegen aus anderen Erdölförderländern erzielten Sie offenbar einen Durchbruch. Worauf haben Sie sich in Doha nun tatsächlich geeinigt?

Alexandr Nowak: Ich finde, dass unser Treffen mit den Kollegen aus Saudiarabien, Katar und Venezuela recht produktiv war. Das wichtigste Ergebnis war die Erreichung einer vorläufigen Vereinbarung, die Fördermenge heuer auf dem Niveau vom Jänner zu deckeln. Eine endgültige Entscheidung wird getroffen, wenn sich die Mehrzahl der anderen Ölproduzenten dieser Initiative anschließt.

Laut Internationaler Energieagentur (IEA, Anm.) wird sich der Ölpreis heuer dennoch nicht stabilisieren.

Im Großen und Ganzen stimme ich dieser Analyse auch zu. Die früheren Preise von über 100 Dollar je Barrel waren tatsächlich sehr hoch. Der begrenzte Zugang zu Finanzmitteln und die Verzögerungen bei der Umsetzung einiger Projekte werden aber dazu beitragen, den Markt wieder in die Balance zu bringen und die Förderung außerhalb der Opec zu reduzieren, insbesondere in Nordamerika.

Alle führenden Ölkonzerne haben ihre Investitionsprogramme im Vorjahr radikal gekürzt. Was heißt das für die Zukunft, wenn immer weniger investiert wird?

Auf die weltweite Ölförderung in der nächsten Zeit sind keine wesentlichen Auswirkungen zu erwarten. Mittel- und langfristig aber sehr wohl, weil wichtige Projekte verschoben oder eingefroren werden. So kann man durchaus sagen, dass die globale Erdölversorgung nach 2020 gefährdet ist. In diesem Zusammenhang stellt sich Russland der Aufgabe, ein zuverlässiger und stabiler Öllieferant weltweit und auf lange Zeit zu bleiben.

Könnte sich Russland im Interesse einer Preisstabilisierung überhaupt zu Förderkürzungen durchringen?

Für Russland ist das angesichts der Technologie, des Zustands der Projekte und der klimatischen Bedingungen eine schwierige Frage. Russland hat mehr als 170.000 Förderlöcher. Ihre Zahl zu verringern ist sehr schwer. Im Nahen Osten sind weitaus weniger Bohrlöcher in Betrieb, Saudiarabien etwa fördert die gleiche Menge wie wir aus 3500 Bohrlöchern. Und außerdem sind unsere Ölkonzerne selbstständige Aktiengesellschaften, die über ihre Produktionspläne selbst entscheiden.

Wie sehr wirken sich die westlichen Sanktionen bereits auf die Förderanlagen aus? Vor allem auf die unkonventionellen und teuren Lagerstätten?

Der Einfluss auf das gesamte Fördervolumen ist gering. In den vergangenen zwei Jahren haben wir gerade einmal je 18 Millionen Tonnen aus solchen schwierigen Feldern gepumpt – das sind drei Prozent der Gesamtförderung. Außerdem gibt es einen gegenteiligen Effekt: Weil unsere Unternehmen nicht mit westlichen Firmen zusammenarbeiten können, haben sie begonnen, die nötige Technologie dafür in Russland herzustellen. In drei Jahren haben wir unsere Technologie ausreichend modernisiert.

Zum Gassektor: Die EU-Kommission will Zugang zu allen Gaslieferverträgen erhalten. Wovon zeugt das Ihres Erachtens?

Das kann ich schwer kommentieren. Einige Vertreter der EU wollen, dass Lieferverträge von der EU-Kommission koordiniert werden. Aber viele Länder sind damit nicht einverstanden. Wir gehen davon aus, dass kommerzielle Verträge eine Sache zwischen zwei Unternehmen sind.

Ist Europas Energiepolitik konstruktiv?

Die Politik überwiegt über dem wirtschaftlichen Moment der Lieferung von Gas und Öl. Aus politischen Motiven wurde die Pipeline South Stream blockiert. Aus politischen Motiven wird auch versucht, den Ausbau der Ostsee-Pipeline Nord Stream (Nord Stream 2, Anm.) zu behindern. Es fällt doch auf, dass die ersten beiden Stränge von Nord Stream nicht behindert wurden und offenbar EU-Recht entsprochen haben. Die beiden neuen Stränge werden jetzt aber anders beurteilt. Wir hoffen, dass die pragmatische Seite obsiegt. Wir müssen das Verhältnis auf Grundlage gegenseitiger Interessen, Garantien und Langfristigkeit gestalten.

Ich nehme an, Sie bauen auf Deutschland als Befürworter des Nord-Stream-Ausbaus.

Wir bauen darauf, dass dieses Projekt vor allem ein wirtschaftliches ist. Die größten Energiekonzerne Europas sind daran interessiert. Als langfristiges Projekt kann es mit anderen Gas- und Flüssiggaslieferanten konkurrieren.

Also Nord Stream oder weiterhin Gas-Transit durch die Ukraine?

Wir schließen nicht aus, dass ein Teil der Lieferungen auch weiterhin über die Ukraine läuft. Die Frage ist eine andere, und zwar wie wirtschaftlich zweckmäßig die Lieferung ausschließlich über das bestehende Pipelinesystem ist. Wenn ein Land ein Transitmonopol hat, wirkt sich das auf den Transportpreis aus. Die Ukraine hat schon eine vielfache Erhöhung des Transitpreises angekündigt.

Österreichs Vizekanzler, Reinhold Mitterlehner, der Anfang Februar bei Ihnen war, sprach im Anschluss an das Gespräch von „sehr positiven Resultaten“. Welche sind das?

Wir haben ein breites Themenspektrum besprochen, darunter den Ausbau der Pipeline Nord Stream. Unsere Partner unterstützen das Projekt. Auch haben wir mögliche Varianten der Kooperation im Strombereich besprochen. Und natürlich die Situation der Kooperation zwischen Gazprom und OMV in Form eines Asset-Swaps.

Und was sind die Resultate?

Wir haben uns in fast all diesen Fragen auf gemeinsame weitere Handlungen geeinigt.

Welche Aktiva hätte Gazprom gern in Österreich?

Es können unterschiedliche sein, konkrete kann ich Ihnen nicht nennen. Gazprom ist in Österreich ja Besitzer eines der größten Gasspeicher. Vielleicht betrifft der Deal auch OMV-Lagerstätten in Drittländern. Oder Infrastrukturprojekte in Österreich. Oder Energieprojekte.

ZUR PERSON

Mehr zum Thema: Seite 18 und 19Alexandr Nowak (44) ist seit 2012 russischer Energieminister. Zuvor war er vier Jahre stellvertretender Finanzminister. Beruflich groß geworden ist er im Metallsektor in der Nickelstadt Norilsk. Nowak ist Mitglied im Aufsichtsrat des Gaskonzerns Gazprom und des größten Ölkonzerns Rosneft sowie Aufsichtsratschef des staatlichen Ölpipeline-Monpolisten Transneft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)

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