„Bei erster Gelegenheit aus Niedrigzinspolitik aussteigen“

Finanzkrisen kann man nie ausschließen, sagt Andreas Dombret. Ziel sei, dass die Krisen keine schlimmen Folgen haben.
Finanzkrisen kann man nie ausschließen, sagt Andreas Dombret. Ziel sei, dass die Krisen keine schlimmen Folgen haben.(c) Die Presse (Voithofer Valerie)
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Andreas Dombret, Vorstand der Deutschen Bundesbank, erklärt, warum man sich vor Finanzkrisen nicht zwingend fürchten muss, und wie man Preisblasen erkennt.

Die Presse: Wie groß ist die Gefahr einer neuen Finanzkrise? Viele Banken sitzen noch auf Altlasten, wie sich bei den jüngsten Bilanzpräsentationen einiger Banken gezeigt hat.

Andreas Dombret: Keine Frage: Es gibt aus der letzten Finanzkrise noch notleidende Kredite und Finanzprodukte, die noch nicht komplett abgebaut sind. Aber wir haben sehr wohl viel geschafft. Wir haben vor allem beschlossen, dass Banken mehr und besseres Eigenkapital vorhalten müssen, neue Liquiditätsstandards eingeführt, für mehr Transparenz im Bankenmarkt gesorgt und viele neue Regeln erarbeitet, die Banken widerstandsfähiger machen. Mit dem Erreichten bin ich durchaus zufrieden.

Also droht keine Finanzkrise?

Finanzkrisen sollte man nie ausschließen, denn Finanzkrisen wird es immer wieder geben. Die Frage ist, ob diese Finanzkrisen künftig das Bankensystem insgesamt, die Realwirtschaft und schließlich die gesamte Gesellschaft derart negativ betreffen, wie sie das im Fall von Lehman Brothers getan haben. Es ist die Aufgabe der Aufsicht, den Steuerzahler, die Gesellschaft und die Realwirtschaft vor den systemischen Auswirkungen solcher Verwerfungen auf dem Finanzmarkt zu schützen. Es wird immer Banken mit überzeugenden und mit weniger überzeugenden Geschäftsmodellen geben. Banken müssen also auch aus dem Markt ausscheiden können. Aber ein solches Ausscheiden soll nicht das ganze System bedroht, wie dies bei Lehman Brothers der Fall war.


Besteht diese Gefahr nicht mehr? Italiens Banken etwa sitzen auf 200 Milliarden Euro fauler Kredite.

Ich kann die italienische Situation bei Weitem nicht so gut beurteilen wie die deutsche. Aber nach sechs Jahren Rezession in Italien ist es folgerichtig, dass die Anzahl der notleidenden Kredite gestiegen ist, was natürlich den dortigen Bankensektor belastet. In Deutschland hatten wir nur ein Jahr lang eine Rezession, nämlich 2009. Wie lang war das bei Ihnen in Österreich?


Auch ein Jahr.

Italiens Wirtschaft ist aber erst 2015 aus der Rezession herausgekommen. Das hat die italienischen Bankbilanzen in Mitleidenschaft gezogen. Auch deutsche Banken und Sparkassen haben in ihren Bilanzen Positionen, die sie noch nicht abbauen konnten, dies allerdings weniger als anderswo. Die deutschen Banken haben den Rückenwind der heimischen Konjunktur. In Österreich läuft die Konjunktur auch gut, sodass ich davon ausgehe, dass auch Ihre Banken den Rückenwind zum Abbau solcher Positionen genutzt haben.


Ist die lange Niedrigzinsphase ein Problem für die Banken?

In der Vergangenheit haben lang anhaltende Phasen sehr niedriger Zinsen zum Aufbau von Preisblasen geführt, mit negativen Folgen für die Volkswirtschaft. Wir wissen nicht, wie lang die aktuelle Niedrigzinsphase in der Eurozone dauern wird, aber wenn wir der Forward-Guidance der EZB folgen, wird sie noch längere Zeit anhalten. Sie sehen auf den Immobilienmärkten in Deutschland, und hier vor allem in größeren Städten, dass die Renditen stark sinken und die Preise steigen. Lange Phasen niedriger oder negativer Zinsen verleiten dazu, dass man nach Anlageformen mit höherer Rendite sucht. Wenn Sie eine höhere Rendite erzielen wollen, müssen Sie aber regelmäßig auch höhere Risken eingehen. Wenn ein Zins nun so niedrig ist, unterliegen manche dem Irrglauben, auch das Risiko sei sehr begrenzt. Diese Schlussfolgerung ist nur bedingt zulässig.

Was bedeutet das für Banken?

Für Banken – insbesondere die österreichischen und deutschen, die mehr zins- als kapitalmarktsensitiv sind – bedeutet das, dass ihre Zinsmarge sinkt und sich die Erlösaussichten abschwächen. Die Institute könnten sich genauso wie private Investoren veranlasst sehen, höhere Risken einzugehen, als sie das sonst tun würden. Die Niedrigzinspolitik hat auch Auswirkungen auf Lebensversicherungen, Pensionskassen und Stiftungen, sodass große Teile des Wirtschaftslebens betroffen sind. Es ist deshalb wichtig, dass wir in der Eurozone bei der ersten sich bietenden Gelegenheit aus dieser Niedrigzinspolitik aussteigen. Sobald sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabilisiert und die Inflationsaussichten verbessert haben, müssen wir wieder zu einer normalen Zinspolitik zurückkehren. Das ist kurzfristig aber unwahrscheinlich.

Wann könnte es so weit sein?

Da mache ich keine Vorhersagen. Die Forward-Guidance der EZB spricht von einer „extended period of time“, das ist nicht kurzfristig.


Wo gibt es schon Preisblasen?

Ich sehe noch keine Preisblasen, jedoch die Gefahr, dass sich solche bilden. In Deutschland sind diese Gefahren auf dem Immobilienmarkt am ausgeprägtesten. Hier sehen wir seit geraumer Zeit in den städtischen Ballungsgebieten stark steigende Immobilienpreise. Was wir aber nicht sehen, ist eine signifikante Ausweitung des Volumens an Immobilienkrediten oder ein Absenken der Kreditvergabestandards. Wenn diese Standards gesenkt und die Kreditmenge gleichzeitig deutlich ausgeweitet würden, wären dies Anzeichen für Immobilienpreisblasen. Wir hatten in Deutschland noch keine Immobilienpreisblase, aber wir wissen aus der Beobachtung anderer Länder, dass lang anhaltende Niedrigzinsphasen zu solchen führen können. Wir sind als Aufsicht aber willens und in der Lage, im Bedarfsfall solchen Entwicklungen entgegenzutreten.

ZUR PERSON

Andreas Raymond Dombret (*1960) ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank. Dort ist er für Banken und Finanzaufsicht sowie Risiko-Controlling zuständig. Auch sitzt er im Verwaltungsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Zuvor hatte der Wirtschaftswissenschaftler eine leitende Position bei der Bank of America inne, wo er maßgeblich die Übernahme der Investmentbank Merrill Lynch im Jahr 2008 betreute. Dieser Tage war er in Wien und hielt einen Vortrag bei der Fachtagung des Finanzplaner-Forums.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2016)

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