China rittert um ÖBB-Großauftrag

CHINA HIGH SPEED RAILWAY
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Längst knüpfen Großkonzerne enge Bande mit China. Nun könnten chinesische Staatskonzerne sich um einen 570-Millionen-Euro-Auftrag der ÖBB bemühen. Bahn-Chef Kern reist Mitte März nach China.

Wien. Jetzt kommen auch die ÖBB in China an: Bundesbahnen-Chef Christian Kern wird Mitte März nach Fernost reisen, sagt ÖBB-Sprecherin Sonja Horner auf Anfrage der „Presse“. Das Ziel sei ein Austausch mit den Staatsbahnen, China Railways, und Firmen, die für die ÖBB als Transportunternehmen und Mobilitätsanbieter eine Rolle spielen könnten. China hat Expertise genug: 19.000 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken spannen sich über das Land – das sind 60 Prozent des gesamten Hochgeschwindigkeitsnetzes weltweit. Allein heuer will Peking weitere 800 Milliarden Yuan (112 Milliarden Euro) in den Schienenausbau investieren.

Besonderes Interesse habe die ÖBB an einer Zusammenarbeit mit der Reederei Cosco und Technologielieferanten, erklärt ÖBB-Sprecherin Horner. Jetzt schon kooperieren die ÖBB mit dem chinesischen Staatsbetrieb im Hafen von Piräus. 2009 erwarb Cosco eine 35-jährige Konzession für 70 Prozent des Frachthafens, heute werden dort 60 Prozent der chinesischen Exporte nach Europa abgefertigt. Von dort aus soll ein Transportkorridor entstehen, der den Mittelmeerhafen mit einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Belgrad und Budapest verbindet. Auch hier kommen die ÖBB ins Spiel: Das Staatsunternehmen will mit Cosco Geschäfte wie den Bahntransport von Containern nach Zentraleuropa ausbauen.

ÖBB will 200 Güterzüge kaufen

Das Ganze ist Teil von „Ein Gürtel, eine Straße“, eines gigantischen Infrastrukturprojekts unter der Schirmherrschaft des chinesischen Staatschefs, Xi Jinping. Die Seidenstraße ist Chinas Vision einer besser vernetzten Welt. Die Antithese zu einer von den USA dominierten Wirtschaftsordnung, wie es in China heißt. Während Peking also Investoren und Staatsunternehmen ausschickt, um internationale Kooperationen zu schließen, strecken auch Staatsunternehmen in Europa wie die ÖBB ihre Fühler nach China aus.

Im Dezember gaben die ÖBB bekannt, 200 neue Güterverkehrslokomotiven erwerben zu wollen. Das Auftragsvolumen beträgt 570 Millionen Euro, der Zuschlag soll Mitte 2016 erfolgen. Die Ausschreibung steht offenbar in Zusammenhang mit den Anbahnungen zwischen den ÖBB und Peking: Wie „Die Presse“ erfuhr, dürfte die China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) an einer Zusammenarbeit mit Österreich interessiert sein. Dafür spricht, dass der chinesische Bahngigant zu Jahresbeginn eine Niederlassung in Wien gegründet hat.

CRRC ist ein Gigant. Der Konzern hält auf dem 162 Milliarden Euro schweren Weltmarkt für Waggons und Lokomotiven 15 Prozent. Das zeigt eine Analyse des deutschen Beratungsunternehmens SCI Verkehr. Vergangenes Jahr hat die chinesische Regierung zwei staatliche Schienenfahrzeughersteller fusioniert. Mit vereinten Kräften sollen sie die ausländischen Märkte erobern. Der Markt in China ist nämlich längst gesättigt, Überkapazitäten vor allem in der Schwerindustrie machen Staatsunternehmen zu schaffen. Und so erwuchs aus CRRC ein ernst zu nehmender Konkurrent für Siemens, Bombardier und Alstom. Der Staatsbetrieb CRRC mit Sitz in Peking beschäftigt 170.000 Mitarbeiter. Im ersten Halbjahr 2015 machte CRRC 91,8 Milliarden Yuan (12,8 Milliarden Euro) Umsatz. Nur zwölf Prozent davon machte das Auslandsgeschäft aus. Doch es wächst rasant. Die jährlichen Zuwachsraten liegen bei 60 Prozent.

Bahngigant als Konkurrent für Siemens

In Österreich könnten chinesische Schienenfahrzeughersteller vor allem Siemens in Bedrängnis bringen. Das Unternehmen beschäftigt hierzulande 10.200 Menschen und erwirtschaftete 2015 drei Milliarden Euro Umsatz. Lang war der deutsche Konzern unangefochtener Hauptlieferant österreichischer Verkehrsunternehmen – allen voran ÖBB und Wiener Linien. Allein die ÖBB haben Siemens in den vergangenen zehn Jahren Aufträge im Wert von mehr als einer Milliarde Euro verschafft.

Die Wiener Linien aber erteilten dem langjährigen Partner 2014 eine Absage – trotz der Verflechtungen von Siemens Österreich mit der SPÖ. Der Auftrag für 156 Niederflurstraßenbahnen im Wert von 562 Millionen Euro ging damals an den kanadischen Verkehrstechnikkonzern Bombardier.

Die ÖBB sind jedoch nicht nur für Bahnzulieferer interessant, auch andere Branchen in China liebäugeln mit einer Zusammenarbeit. So liefen etwa Gespräche mit dem chinesischen Technologiekonzern Huawei. Die Chinesen könnten für störungsfreies Internet und Handytelefonieren in den ÖBB-Zügen sorgen. Das bestätigte Huawei-Sprecherin Catharina Rieder auf Anfrage der „Presse“.

Zuvor aber gilt die ganze Aufmerksamkeit Chinas dem zwölftägigen Volkskongress. Dort veröffentlicht die kommunistische Führung den neuen Fünfjahresplan – und stellt die Weichen für Chinas Bahnindustrie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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