Südkorea: Jetzt sind die Kleinen dran

(c) REUTERS (KIM HONG-JI)
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Das asiatische Land will seine Abhängigkeit von den großen Konzernen wie Samsung reduzieren. Mittelstand lautet die neue Devise. Erfahrungen aus Österreich sollen dabei helfen.

Seoul. Yeong-sok Roh ist guter Dinge. „Ich glaube, unsere Zeit ist endlich gekommen.“ Wenn er im Mai und Juni mit zehn Betrieben nach Wien reist, will er zunächst vor allem lernen. „Das ist eine große Chance, in Europa Fuß zu fassen.“ Namen wie Samsung, Hyundai oder LG werden diesmal „endlich“ fehlen. Roh ist Verantwortlicher für Internationales beim Koreanischen Amt für Klein- und Mittelbetriebe. Eine noch unbedeutende Behörde, die aber viel wichtiger werden soll.

Ähnlich wie in Österreich sind mehr als 90 Prozent der koreanischen Firmen Klein- und Mittelbetriebe, 88 Prozent aller Arbeitskräfte sind bei ihnen beschäftigt. Aber ihr Anteil an der nationalen Wirtschaftskraft und der Handelsbilanz ist niedrig. „Wir wollen mehr wie Österreich werden, wo der Mittelstand das ökonomische Rückgrat bildet“, sagt Roh. Es gibt viele Gemeinsamkeiten: Flächenmäßig ist Österreich etwa so groß wie Südkorea, die Wirtschaftskraft pro Kopf ist ähnlich. Und beide Länder stehen im Schatten größerer Nationen: Österreichs Konjunktur hängt von Deutschland und der EU ab, das koreanische Wohlergehen wird durch China und die USA bestimmt.

Konzerne als Fluch und Segen

Anders als Österreich hat Südkorea aber mehrere Riesenkonzerne wie Samsung, Hyundai und LG, an die sich ganze Wertschöpfungsketten anschließen. Und so positiv es ist, nationale Industrien zu haben: Koreanische Zulieferer konzentrieren sich bisher vor allem auf diesen Heimmarkt. „Das haben uns die Österreicher voraus. Die sind viel internationaler und unabhängiger“, sagt Yeong-sok Roh.

Das stößt auf offene Ohren. „Wir könnten gute Partner werden“, sagt der heimische Wirtschaftsdelegierte Franz Schröder auf der Innovation Bridge in Seoul, einer Wirtschaftskooperationsveranstaltung zwischen den beiden Ländern. „Unsere Unternehmen sind in diversen technologiebasierten Bereichen sehr wettbewerbsfähig. Und Südkorea ist in praktisch jedem technologischen Bereich ein großer Markt.“

Das Klosterneuburger Unternehmen Sustec zum Beispiel, das sich potenziellen Kunden in Seoul vorstellte, bietet eine neue, umweltfreundliche Produktionsweise von Stahl an und könnte für den koreanischen Weltmarktführer Posco interessant sein. Der Wiener Biotech-Betrieb Biomay hat Medikamente für mehrere in Asien typische Allergien entwickelt und kommt womöglich mit der Gesundheitssparte von Samsung ins Geschäft. Die Liste ließe sich fortführen.

Aber bei allem Potenzial: Bisher ist der Außenhandel überraschend gering. Österreich belegt bei Südkoreas Handelspartnern den 23. Platz, umgekehrt ist Südkorea zwar Österreichs drittwichtigster Handelspartner in Asien, macht aber nur einen Bruchteil europäischer Länder aus. 2015 exportierte Österreich für 846 Mio. Euro, dabei vor allem Maschinengüter, und importierte für 710 Mio. Euro.

Für Korea bieten intensivere Beziehungen aber auch eine Chance zur volkswirtschaftlichen Neujustierung. Denn der Aufschwung Südkoreas ist bisher eng mit einer staatlich getriebenen Wirtschaftsplanung verknüpft, die auf einer Handvoll Großunternehmen fußte. Hyundai, Daewoo, Posco, Samsung oder LG wurden so aber zu „Krakenunternehmen“, die diverse Wirtschaftsbereiche kontrollierten. Rund 60 Prozent der koreanischen Wirtschaftsleistung gehen auf die Konten dieser Chaebol genannten Konglomerate. Und so wichtig sie sind, so wacklig ist damit das Fundament der koreanischen Wirtschaft.

Wissenstransfer geplant

„Wir dürfen uns nicht auf die Chaebols allein verlassen“, sagt auch Keun-lee Sang, der Leiter des Koreanischen Instituts für Technologieförderung. „Fundamentale Innovationen werden in Zukunft nicht mehr aus den Chaebols kommen. Für gänzlich Neues müssen wir die kleineren Betriebe stärken.“ Im vergangenen Jahr unterzeichnete Keun-lee Sangs Institut eine Vereinbarung mit der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft, um den Wissenstransfer zwischen beiden Ländern zu intensivieren. Bisher ist aber nicht viel passiert. Während mit Deutschland, Spanien oder der Schweiz bereits konkrete Kooperationen laufen, tasten sich Südkorea und Österreich immer noch erst gegenseitig ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2016)

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