Unternehmen drehen Globalisierung zurück

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Angesichts globaler Krisen setzen viele Geschäftsführer wieder stärker auf heimische Märkte. In Amerika blickt man derzeit optimistisch in die Zukunft, in Europa und Asien weniger.

Wien. In den Chefetagen rund um die Welt hat ein Umdenken eingesetzt. Im Zuge wachsender ökonomischer und geopolitischer Probleme konzentrieren sich viele Firmen nach Jahren der globalen Expansion wieder verstärkt auf ihre Heimmärkte und investieren vor allem in die Sicherheit ihrer Infrastruktur. Das ist das Ergebnis des neunten „Global Business and Spending Monitor“. Die Umfrage wird jährlich im Auftrag von American Express durchgeführt.

Für die Studie wurden die Geschäftsführer und Finanzvorstände von weltweit 650 Firmen befragt. Mehr als 40 Prozent der Manager gaben an, sich im kommenden Jahr vor allem auf nationale und regionale Märkte konzentrieren zu wollen, da die globalen Risken zunehmen würden. 30 Prozent wollen Ausgaben und Investitionen überhaupt zurückfahren – und 39 Prozent wollen in Risikomanagement und die Sicherheit ihrer Unternehmungen investieren.

Auch Mexikaner zuversichtlich

Die neue Ausrichtung spiegelt sich auch in den Umsatzerwartungen wider. Der Rückzug von der Globalisierung ist in Nordamerika besonders ausgeprägt, wo sich 76 Prozent der befragten Manager wachsende Umsätze vor allem in der Heimat erwarten. In Südamerika sind es 67 Prozent und in Asien 69 Prozent. Einzig in Europa erwarten nur 47 Prozent eine Konzentration auf den Heimatmarkt. Rund 30 Prozent geben an, sich vor allem in Osteuropa engagieren zu wollen.

Diese Ergebnisse korrelieren direkt mit den jeweiligen Erwartungen der Manager an die wirtschaftliche Entwicklung. So herrscht in den USA deutlich mehr Optimismus als in Europa. 71 Prozent der Manager in Nordamerika gaben an, dass sie heuer ein gutes Geschäftsjahr erwarten. In Europa sind es nur 62 Prozent und in Asien (wohl aufgrund der Krise in China) lediglich 59 Prozent. Global erwarten insgesamt 65 Prozent der Befragten eine positive Wirtschaftsentwicklung. Die Nord- und Südamerikaner sind optimistischer als der Schnitt. In Südamerika sind vor allem Mexikaner und Argentinier Optimisten, während in Brasilien der Pessimismus vorherrscht.

Dass das vergangene Jahr weltweit nicht einfach war, zeigt diese Zahl: Nur 52 Prozent der befragten Firmen konnten im vergangenen Jahr überhaupt eine Umsatzsteigerung verzeichnen. In den USA waren es immerhin 75 Prozent, in China 63 Prozent und in Indien 62 Prozent. Die Inder gewinnen allerdings den Preis für die optimistischsten Aussichten. Ganze 86 Prozent der Manager gehen von einem guten Jahr 2016 aus. Hart getroffen hat es im Vergleich zum Vorjahr China. Waren Anfang 2015 noch 78 Prozent der Geschäftsführer optimistisch, so sind es jetzt nur noch 58 Prozent. Ein Absturz von 20 Prozentpunkten.

Deutsche und Russen negativ

In Europa herrscht weltweit am wenigsten Optimismus, was eine direkte Folge von Ukraine- und Flüchtlingskrise sein dürfte. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Von allen europäischen Ländern büßen Deutschland und Russland am meisten Zuversicht ein. In Deutschland blicken nur noch 58 Prozent optimistisch in die Zukunft, in Russland nur 44 Prozent. Ein Minus von neun respektive elf Prozentpunkten. Ganz anders die Lage in Frankreich, wo der Optimismus von 29 Prozent im vergangenen Jahr heuer auf 47 Prozent gesprungen ist.

Die französischen Manager gehen davon aus, heuer die Früchte der besonders aktiven Merger-Tätigkeit der vergangenen Jahre ernten zu können. Und: Trotz aller Debatten über die ökonomischen Auswirkungen eines möglichen Ausstiegs Großbritanniens aus der EU sehen auch die dortigen Manager positiv in die Zukunft: Drei Viertel der britischen Geschäftsführer glauben daran, dass sich die Konjunktur auf der Insel heuer positiv entwickeln wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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