Die zwei Seiten der Tourismuskrise

Das bei Touristen diesen Sommer besonders beliebte Spanien meldet schon jetzt Buchungsengpässe.
Das bei Touristen diesen Sommer besonders beliebte Spanien meldet schon jetzt Buchungsengpässe.(c) REUTERS (JON NAZCA)
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Einerseits profitiert die Reiseversicherungsbranche von dem Sicherheitsdenken der Touristen, andererseits drücken Prämieneinbußen und höhere Schadenssummen die Bilanz.

Wien. Nichts bildet die aktuelle geopolitische Krisenstimmung, die Terrorangst und auch das damit einhergehende Sicherheitsbedürfnis der heimischen Touristen wohl so getreu ab wie die Geschäftsentwicklung in der Reiseversicherungsbranche. So präsentierte auch Österreichs Branchenführer, die Europäische Reiseversicherung, seine Jahresbilanz 2015 am Mittwoch mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Man habe bei den Prämieneinnahmen eingebüßt, jedoch bei Weitem nicht so große Geschäftseinbrüche wie die Vertragspartner verzeichnet, zu denen drei Viertel der heimischen Reisebüros und -veranstalter zählen. Diese melden für die Krisenregionen Nordafrika und die Türkei schon seit Längerem 40-prozentige Buchungsrückgänge. Daraus lasse sich laut dem Vorstandsvorsitzenden der Europäischen Reiseversicherung, Wolfang Lackner, eines eindeutig ableiten: „Die, die buchen, schließen im Zweifelsfall eine Versicherung ab.“ Die Bereitschaft, Geld für Sicherheit auszugeben, steige in Krisenzeiten immer, ergänzt Vorstandskollege Andreas Sturmlechner. Das sei auch nach den 9/11-Anschlägen, dem Golfkrieg oder dem thailändischen Tsunami der Fall gewesen.

Zweites Quartal wird entscheiden

„Hoffentlich werden viele in Urlaub gehen“, zeigte sich Lackner noch ob der Entwicklungen des diesjährigen Tourismusgeschäfts unsicher. Der Negativtrend bei Auslandsreisen – 2015 verzeichnete man hier ein kurzfristiges Minus von fünf Prozent – könnte sich in seinen Augen fortsetzen. Nun werde das zweite Quartal den Ausschlag über Erfolg oder Scheitern des Reiseversicherungsjahres 2016 geben. Denn nun nach Ostern werde sich herauskristallisieren, was all jene von den Terroranschlägen der letzten Wochen und Monate verunsicherten Urlaubswilligen machen, die bislang mit dem Buchen zugewartet haben. Bei den Ausweichdestinationen des heurigen Sommers – allen voran Spanien, Kroatien und Italien – ortet er in Übereinstimmung mit der restlichen Branche jetzt schon Kapazitätsengpässe.

„Eine Situation, in der die Leute nicht reisen, ist für uns am schlimmsten“, stellt Lackner fest. Er hofft, dass die positiven Effekte der „nicht optimal verkauften“ Steuerreform von Anfang des Jahres doch noch den einen oder anderen dazu bewegen, sich mit den zusätzlichen Mitteln eine Reise zu leisten. Das Risikomanagement in Krisenzeiten hingegen, die richtige Kalkulation der Prämien, sieht die Europäische Reiseversicherung nicht als Problem. Und das, obwohl die Zahl der Schadensfälle von 2014 auf 2015 von 36.653 auf 38.591 kletterte und die Großschäden, die die Versicherung pro Stück mehr als 30.000 Euro kosten, sich mit zwei zusätzlichen Millionen in ihrer Jahresbilanz niederschlugen. Den dadurch um 4,6 Prozent gestiegenen Schadensaufwand von insgesamt 32,65 Millionen könne man schultern, schließlich habe man eine Rückversicherung und einen großen Versicherungspool. „Das ist ja unser Job“, so Lackner.

Sicherheit als Geschäftstreiber

Die Entwicklung der übrigen Geschäftsfelder der zur italienischen Generali-Gruppe gehörenden Assekuranz spiegelt die aktuelle Vorliebe ihrer jährlich zwei Millionen Kunden wider: Neben den sicheren Häfen in West- und Mitteleuropa ist das vor allem der Urlaub in Österreich. Parallel zu den positiven Ergebnissen in der heimischen Hotellerie, die 2015 ein Nächtigungsplus von 2,5 Prozent auf 135,2 Millionen vermeldete, konnte man im Incoming-Geschäft Prämienzuwächse von neun Prozent verzeichnen.

Am augenscheinlichsten wird das Sicherheitsbedürfnis der Österreicher aber bei der Zahl der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Ganzjahresversicherungen: Hier verzeichnete die Europäische Reiseversicherung Zuwächse von knapp einem Viertel. Zurzeit schätzt sie die Zahl der Österreicher, die vor ihrem Urlaub eine Versicherung abschließen, auf 60 Prozent – damit liege das Land im europäischen Mittelfeld. Nur die Skandinavier seien mit rund 80 Prozent auf Reisen noch mehr auf ihre Sicherheit bedacht.

Unter dem Strich hat man 2015 ein ähnliches Ergebnis wie 2014 erzielen können. Das versicherungstechnische Ergebnis der Europäischen Reiseversicherung pendelte sich auf 2,32 Millionen ein – im Jahr zuvor waren es 2,33 Millionen gewesen. Das sei laut Lackner einer „in schwierigen Jahren vorsichtigen Geschäftspolitik“ und nicht zuletzt außerordentlichen Einmaleffekten geschuldet – vor allem durch die von der Konzernmutter angeordnete Veräußerung des Slowakei-Geschäfts an die slowakische Generali-Tochter. Lackner: „Mit den Kunden und Partnern geht es uns sehr gut – das Einzige, was auslässt, ist der Markt an sich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2016)

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