Ungarn: „Patriotischer“ Kampf gegen Banken

(c) AP (Bela Szandelszky)
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Die Regierung Bajnai tritt gegen einseitige Änderungen bei Kreditverträgen auf, aber auch gegen Töchter ausländischer Banken – und indirekt gegen den Notenbankchef.

BUDAPEST/WIEN. Die Stimmung sei beinahe katastrophal, aber die Menschen hätten Verständnis für die Sorgen anderer. Erraten: Die Meinungsumfrage wurde nicht in Österreich durchgeführt. Befragt hat das Institut Median tausend Ungarn im Auftrag des Budapester Ministerpräsidentenamtes. Drei Viertel der nicht Betroffenen – und 84 Prozent der Betroffenen – sind der Ansicht, die Regierung müsste einschreiten, damit die „Opfer“ von Devisenkrediten Erleichterungen bei der Rückzahlung erhalten.

Ob die Regierung von Ministerpräsident Gordon Bajnai den Dollar-, Franken- oder Yen-Schuldnern unter die Arme greift, ist noch offen. Sicher ist hingegen, dass sie mehreren Banken auf die Zehen steigt, unter ihnen der Ungarn-Tochter von Raiffeisen. Die Österreicher sowie die Italiener bei der CIB-Bank sind ins Kreuzfeuer der regierenden Sozialisten geraten, weil sie sich laut deren Vize-Fraktionschef im Parlament, Tibor Kovács, „auf absurde Argumente berufend“ bemühen, „die Verträge entsprechend ihren Interessen umzugestalten“.

Schon Ende Juni hatte die Finanzmarktaufsicht mit der unaussprechlichen Abkürzung Pszáf die CIB-Bank in diesem Zusammenhang zu einer Geldstrafe von 6,5 Millionen Forint (rund 23.000 Euro) verdonnert. Elf weitere Geldinstitute, unter ihnen Erste Bank, Raiffeisen, UniCredit und Volksbank, wurden zwar genau unter die Lupe genommen, kamen aber ohne Buße davon.

Heute Bankengipfel

Die Entwicklung ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Erstens hat Bajnai für heute einen „Bankengipfel“ anberaumt, bei dem über „Anomalien rund um die einseitigen Vertragsmodifikationen“ diskutiert werden soll. Getrieben wird er dabei von sozialistischen Politikern, die wie der Vize-Fraktionschef behaupten, dass die Banken Hintertürchen suchten, um für die am 1. August in Kraft tretenden verschärften Bestimmungen gewappnet zu sein.

Am schärfsten agiert dabei der ebenfalls für die Sozialisten im Parlament sitzende Bürgermeister der Stadt Battonya, József Karsai. Dieser wurde im Vorjahr berühmt, weil er Protestaktionen tausender Obstbauern gegen Ungarn-Töchter ausländischer Lebensmittelketten organisiert hatte. Jetzt wirft er Banken mit ausländischen Eigentümern vor, sie schafften Spareinlagen außer Landes, weshalb Bauern besonders schwer Kredite bekämen. Die erste Demonstration hat er schon veranstaltet – und nach eigenen Angaben eine Morddrohung erhalten.

In der stark nach Chauvinismus und Klassenkampf riechenden Situation spielt auch ein ganz anderer Aspekt eine Rolle: die Personalpolitik der Regierung Bajnai. Am 18. Juni räsonierte Finanzminister Péter Oszkó über die Inaktivität der Finanzmarktaufsicht, worauf deren Chef István Farkas binnen 24 Stunden zurücktrat. Die Regierung peitschte wenige Tage später die Wahl des Namensvetters Ádám Farkas durch das Parlament.

Die Opposition hat nicht grundsätzlich etwas gegen den neuen Pszáf-Chef, schließlich ist er ein renommierter Banker, der zwischen 1997 und 2001 sogar die Ungarische Nationalbank geleitet hatte. Aber es sei auffallend, dass die Strafe für die CIB-Bank ausgerechnet am Tag der Wahl des Neuen verkündet wurde.

Man müsse den Kontakt zwischen Finanzmarktaufsicht und Notenbank intensivieren, betonte Ádám Farkas am Tag nach seiner Wahl in mehreren Interviews. Er wolle sich an der Diskussion, ob man die beiden Institutionen nicht vereinigen sollte, nicht beteiligen. Priorität habe nicht die Zahl der Institutionen, sondern die Frage, was angesichts der Krise anders gemacht werden müsse.

„Sauberkeitserklärung“

Und noch etwas sagte Farkas: Da er aus der Privatwirtschaft komme, werde er seine finanziellen Interessen neu ordnen, sich von den meisten Beteiligungen trennen und andere nicht selbst verwalten. Diese „Sauberkeitserklärung“ wurde als Wink mit dem Zaunpfahl an Notenbankchef András Simor verstanden, der unter schwerem Beschuss steht, weil er auf Zypern eine Firma unterhalten hat. Inzwischen verkaufte er sie – die Kritik ist aber nicht verstummt.

Schon werden in Budapest Wetten darauf abgeschlossen, ob er – nach Miklós Tátrai, dem inzwischen fristlos entlassenen Chef der „ungarischen ÖIAG“ MVN – das nächste „Personalopfer“ der Regierung Bajnai wird.

AUF EINEN BLICK

Bei einem Bankengipfel will Ungarns Ministerpräsident Gordon Bajnai die Töchter ausländischer Geldinstitute an die Kandare nehmen. Sozialistische Politiker haben eine Stimmung aufbereitet, die nach Klassenkampf riecht.

Das Finanzsystem soll mit Personalrochaden unter Kontrolle gebracht werden: Soeben wurde der Chef der Finanzmarktaufsicht wegen mangelnder Aktivität ausgewechselt. Der Notenbankchef könnte ebenfalls der Strategie geopfert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2009)

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