Fusionsspiel der Stahlgiganten

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BRITAIN-INDIA-LABOUR-INDUSTRY-COMPANY-TATASTEELAPA/AFP/BEN BIRCHALL
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Gebeutelt von Dumping-Importen aus China und eigenen Überkapazitäten muss sich Europas Stahlindustrie neu aufstellen: Fusionieren Tata Steel und Thyssen Krupp?

Düsseldorf/London/Wien. Europas Stahlkocher stehen mit dem Rücken zur Wand – billige Massenimporte aus Fernost, vor allem aus China, überschwemmen den Markt. Je mehr die Konzerne unter Druck kommen, desto lauter wird der Ruf nach Anti-Dumping-Maßnahmen und einer Lockerung der Umweltauflagen, die die energieintensive Industrie vor dem Untergang bewahren sollen.

Voestalpine-Chef Wolfgang Eder, der auch Präsident des Weltstahlverbandes ist, weist aber auch regelmäßig auf hausgemachte Probleme in Europa hin: Die Konzerne haben über Jahre enorme Überkapazitäten aufgebaut, was die Preise in den Keller rasseln ließ – rund ein Viertel der Produktion von 160 Millionen Tonnen liegt auf Lager.

Bisher sind dringend notwendige Konsolidierungen und auch Werkschließungen am Widerstand von Gewerkschaften und – meist sozialistischen – Regierungen gescheitert. Jetzt scheint unter dem enormen Druck Bewegung in die Branche zu kommen.

Im Mittelpunkt von Fusionsgerüchten steht niemand geringerer als Thyssen Krupp. Der indische Konkurrent Tata Steel sei in weit fortgeschrittenen Gesprächen mit dem deutschen Branchenprimus über eine Zusammenlegung des europäischen Stahlgeschäfts, berichtete die „Rheinische Post“ unter Berufung auf Berliner Regierungskreise. Die Zeitung will von seit längerer Zeit laufenden Gesprächen und einem konkreten Interesse der Inder wissen. Dagegen verlautete aus dem Thyssen-Aufsichtsrat, solche Gespräche seien bisher kein Thema gewesen.

Faktum ist, dass angesichts der prekären Lage die Rufe nach einer Konsolidierung der Branche um den Weltmarktführer Arcelor Mittal und den deutschen Platzhirschen Thyssen Krupp immer lauter werden. Thyssen-Krupp-Chef Heinrich Hiesinger hatte selbst die Diskussion angefeuert, indem er seine Bereitschaft betont hatte, aus einer Position der Stärke an einer Konsolidierung der europäischen Stahlbranche teilzunehmen. Den Zeitpunkt hatte er aber offen gelassen.

Abzug aus Großbritannien

Als möglicher Fusionspartner von Thyssen Krupp wurde neben der deutschen Nummer zwei Salzgitter immer wieder auch Tata Steel ins Spiel gebracht. Der indische Konzern hat gerade erst seinen Rückzug aus Großbritannien angekündigt. Dort beschäftigen die Inder 15.000 der insgesamt 81.000 Mitarbeiter. In Großbritannien kämpft Tata mit hohen Energiekosten und Umweltsteuern. Schon im Vorjahr wurden deshalb Tausende Arbeitsplätze abgebaut. Bis zu einem möglichen Verkauf der Aktivitäten prüft der britische Staat nun, einzuspringen. In Wales, wo das größte Werk von Tata beheimatet ist, sind alternative Beschäftigungsmöglichkeiten nicht dicht gesät.

In den Niederlanden unterhält Tata dagegen ein profitables Stahlwerk – es befindet sich relativ nahe an der Thyssen-Krupp-Produktionsstätte in Duisburg.

„Das Stahlgeschäft in Europa ist für Thyssen immer noch ein Klotz am Bein, ein Joint Venture wäre eine gute Lösung“, brachte ein Aktienhändler in Frankfurt die überwiegende Meinung auf den Punkt. Auch DZ-Bank-Analyst Dirk Schlamp rechnet damit, dass Thyssen Krupp mittel- bis langfristig einen kompletten Ausstieg aus dem Stahlgeschäft anstreben dürfte. „Thyssen Krupp und Tata werden als die beste Lösung in Europa gesehen, produktseitig und regional“, so Schlamp. Auch bei der Voest sieht man die Sache positiv. Das sei der richtige Schritt in der Standortdiskussion, hieß es.

An der Börse sorgten die Fusionsfantasien für kräftige Kurssprünge: Seit Dienstag sind die Aktien von Thyssen Krupp um rund fünfzehn Prozent gestiegen. Im Sog zog auch Salzgitter an. (eid/ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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