„Es gibt legitime Gründe für Offshore“

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Nicht jede Offshore-Firma habe steuerliche Gründe, sagt Mark Weinberger, Chef des Beraters EY. Zu beachten gebe es dabei aber nicht nur Gesetze, sondern auch Gefahren für den Ruf.

Die Presse: Diese Woche sorgten die sogenannten Panama-Papers für eine globale Diskussion über Offshore-Gesellschaften und Steueroasen. EY ist weltweit im Bereich Steuerberatung tätig. Wie ist Ihre Firmenpolitik beim Thema Offshore?

Mark Weinberger: Die Höhe der bezahlten Steuern ist in den vergangenen Jahren für viele Firmen ein relevantes Thema geworden, das nun auch auf Vorstandsebene besprochen wird. Und es geht hier weniger um technische Fragen als um Fragen des guten Rufs. Wir empfehlen daher allen unseren Kunden, dass sie bei Steuerkonstruktionen nicht nur den Gesetzen entsprechen müssen, sondern auch damit rechnen müssen, in die Nachrichten zu kommen. Jedes Unternehmen muss also so transparent wie möglich sein, und nachweisen, wo die Umsätze oder die Gewinne entstehen.

EY hat auch Filialen auf den Cayman Islands, den Virgin Islands und auf Jersey – alle drei als Steueroasen bekannt. Warum sind Sie dort tätig?

Wir haben Klienten in 152 Ländern der Welt. Und wir müssen natürlich dort sein, wo unsere Klienten sind. Wir sind ja vor allem als Wirtschaftsprüfer tätig und machen daher auch in diesen Ländern unsere Prüfungen. Außerdem erfolgt nicht jede Entscheidung, an diesen Orten eine Firma zu gründen, aus steuerlichen Motiven.


Eine Frage, die in den vergangenen Tagen oft gestellt wurde, ist, welche legitimen Gründe es für eine Firma in einer Steueroase geben kann. Können Sie eine Antwort darauf geben?

Es gibt eine Vielzahl an total legitimen geschäftlichen Gründen, warum auch in solchen Ländern Unternehmen gegründet werden. So gibt es etwa regulatorische oder rechtliche Gründe, die für Offshore-Firmen sprechen.

Können Sie ein ganz konkretes Beispiel nennen?

Viele US-Unternehmen aus dem Finanzsektor brauchen etwa Offshore-Firmen, wenn sie ausländische Kunden betreuen wollen, die sich nicht den amerikanischen Regeln hinsichtlich Reporting oder den regulatorischen Vorschriften unterwerfen wollen.

Wo würden Sie die Grenze zwischen legitimer Steueroptimierung und der verbotenen Steuerhinterziehung sehen?

Wir würden niemals einem Kunden dabei helfen, Gesetze zu brechen. Das ist ganz klar. Und manche Länder sind auch streng, wenn es darum geht, gegen den sogenannten Geist des Gesetzes zu verstoßen. Wenn man jedoch den Gesetzen entspricht und trotzdem schafft, seine Steuerlast zu verringern, dann gefällt das dem einen Staat vielleicht nicht. Aber dafür gibt es einen anderen Staat, der das sehr wohl mag, weil er höhere Einnahmen erhält. In Europa gibt es zum Beispiel immer wieder Vorwürfe gegen US-Konzerne, sie würden nicht genügend Steuern zahlen. Wenn sie in dem einen Land aber künftig mehr zahlen, dann zahlen sie in einem anderen weniger. Oft gibt es einen richtigen Kampf darum, wer besteuern darf.

Die meisten Leute meinen zu diesem Thema, dass Steuern dort anfallen sollen, wo der Gewinn erzielt wird.

Aber wo wird der Gewinn wirklich erzielt? Wenn es einen multinationalen Konzern gibt, bei dem die Forschung und Entwicklung in einem Land sitzt und im anderen nur der Vertrieb erfolgt. Wer hat jetzt wie viel Anteil an dem in Summe erzielten Gewinn? Diese Frage ist in vielen Fällen sehr schwierig zu beantworten.


Derzeit gibt es viele Schlupflöcher zwischen den nationalen Steuersystemen. Wann wird es hier einheitliche Regeln geben?

Die OECD und die G20 arbeiten derzeit daran, ein einheitliches globales System zu entwickeln. Was derzeit aber geschieht ist, dass viele Länder versuchen, noch schnell nationale Gesetze einzuführen, die ihnen einen größeren Anteil am Steuerkuchen verschaffen. Das haben wir in Indien, Australien oder Großbritannien bereits gesehen. Das Problem ist, dass es beim OECD-Projekt noch keine Überlegungen für einen Ausgleich dieser Forderungen gibt. Und schlussendlich besteht sogar die Gefahr, dass manche Unternehmen künftig doppelt besteuert werden. Manche Fragen werden in diesem Zusammenhang wohl immer strittig bleiben. Denn, wenn in einem Land auf eine Maus geklickt wird und in einem zweiten Land der Auftrag erzeugt wird, aus einem dritten Land ein Produkt zu verschicken, dann wird immer darüber diskutiert werden, wo der Gewinn jetzt erzielt wird.

Sie waren in der Regierung Bush als stellvertretender Finanzminister für das Steuerwesen tätig. Was würden Sie Österreich hinsichtlich des Kampfes gegen Steuerhinterziehung raten?

Am besten wäre es, das System einfacher und somit weniger anfällig für Steuerhinterziehung zu machen. Der Schlüssel lautet meiner Meinung nach: Ein geringerer Steuersatz, dafür eine breitere Bemessungsgrundlage. Es sollte einfach weniger Ausnahmen oder Möglichkeiten zum Steuerabzug geben, dann gibt es auch weniger strittige Fälle im Graubereich. Am effizientesten sind indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer.

In Europa gab es zuletzt auch Kritik an den USA, sie würden selbst alle Daten über Amerikaner im Ausland haben wollen, während Bundesstaaten wie Delaware oder Wyoming zu Steueroasen für Ausländer geworden seien. Können Sie das nachvollziehen?

Nein. Es ist zwar sehr einfach, etwa in Delaware eine Firma zu gründen. Diese unterliegt nachher aber dem US-Steuerrecht. Und in den USA wurde die Körperschaftsteuer zuletzt im Jahr 1986 auf 34 Prozent gekürzt. Damals galten die USA als Steueroase, weil sie den niedrigsten Steuersatz der Welt hatten. Seither gab es aber keine Senkung mehr und die USA haben nun einen der höchsten Sätze der Welt. (Wenn die Gewinne der Gesellschaft nur außerhalb der USA erzielt werden, fällt diese Steuer unter Umständen aber nicht an, Anm.)

EY hat weltweit mehr als 200.000 Mitarbeiter. Wie wichtig ist das Thema Steuerberatung für Sie?

Der größte Teil unseres globalen Umsatzes wird nach wie vor mit der Wirtschaftsprüfung erzielt. Da reden wir von mehr als elf Mrd. Dollar pro Jahr. Steuer- und Unternehmensberatung kommen aber schon kurz danach. Steuerthemen sind also natürlich wichtig für uns – vielfach geht es dabei inzwischen vor allem um Compliance.


Sie betreiben weltweit sogenannte Talent-Center – etwa in Indien. Dort werden Aufträge aus Europa oder den USA bearbeitet. Wie groß ist das Thema Outsourcing in einem Bereich wie Ihrem?

Wir sind ein globaler Dienstleister, der mit rund 80 Prozent der Fortune 500 zusammenarbeitet. Und diese internationalen Kunden müssen auch weltweit betreut werden. Das sind keine Callcenter. Und es geht dabei auch gar nicht so sehr um die Kosten, diese steigen in diesen Ländern auch ständig an. Es geht vielfach um die Menge an talentierten jungen Menschen, die man zunehmend in Ländern wie Indien findet. Die finale Ausarbeitung erfolgt aber immer im Land des Auftraggebers.

ZUR PERSON

Mark Weinberger ist seit 2013 globaler Chef der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma EY (früher Ernst & Young). Der 1961 geborene Amerikaner begann seine Karriere im Jahr 1987 bei EY und wechselte seither mehrmals zwischen Tätigkeiten im öffentlichen Dienst und der Arbeit als Berater. So war er auch in der Regierung Bush zwei Jahre lang für das Steuerwesen zuständiger stellvertretender Finanzminister.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2016)

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