Handel: Berlin unter Beobachtung

(c) REUTERS (JOSHUA ROBERTS)
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Das US-Finanzministerium setzt Deutschland auf eine Liste, weil es zu hohe Exportüberschüsse erzielt. Auch andere Staaten sind betroffen.

New York/Wien. Das amerikanische Finanzministerium hat Deutschland wegen seines Exportüberschusses auf eine Beobachtungsliste gesetzt. Das geht aus einem halbjährlichen Bericht der US-Behörde hervor. Neben der Bundesrepublik verdächtigen die USA auch China, Japan, Südkorea und Taiwan unfairer Außenhandelspraktiken.

Die US-Behörde kritisiert, dass Deutschland im Handel mit den USA mehr exportiere als importiere. Zusätzlich prangerte das Ministerium den generellen Außenhandelsüberschuss der Bundesrepublik an. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die USA diesbezüglich kritisch äußern. Ein weiteres Kriterium unfairer Handelspraktiken sei ein wiederholtes Eingreifen in den Währungsmarkt, um sich Handelsvorteile zu verschaffen. Keines der fünf Länder erfülle alle Merkmale, die die USA dazu veranlassen könnten, bestimmte Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Deutschland tauscht mit keinem anderen Land so viele Waren aus wie mit der größten Volkswirtschaft der Welt. Erst im vergangenen Jahr lösten die USA Frankreich als wichtigsten Absatzmarkt ab. Die Bundesrepublik exportierte Waren im Wert von rund 114 Mrd. Euro in die USA. Die Ausfuhren überstiegen die Einfuhren damit um knapp 55 Mrd. Dollar.

Schwacher Euro hilft

Die Gründe dafür liegen unter anderem im schwachen Euro, der es europäischen Firmen ermöglicht, Waren günstiger ins Ausland zu verkaufen. Hinzu kommt die vergleichsweise gute Konjunktur der USA. Wegen des Ölpreisverfalls muss Deutschland zudem weniger für dessen Import bezahlen.

„Wenn der Euro so weit abwertet durch die Geldpolitik, dann darf man sich natürlich nicht wundern, dass unsere Exporte eher zunehmen“, sagte Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) im März. Man könne Deutschland nicht dafür verantwortlich machen, „dass Gegebenheiten so sind wie sie sind“. Deswegen sei das Land auf seine Außenbilanzüberschüsse „auch ein Stück stolz“.

Angaben des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo zufolge wiesen die Deutschen im vergangenen Jahr mit 280 Mrd. Dollar (252,05 Mrd. Euro) den weltweit zweithöchsten Leistungsbilanzüberschuss nach China aus. Seit 2010 lag die Bundesrepublik stets auf dem ersten Rang. Japan belegt in der Rangliste Platz Drei.

Der deutsche Überschuss entspricht 8,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ein dauerhafter Wert von mehr als sechs Prozent wird von der EU-Kommission als stabilitätsgefährdend eingestuft. Erst 2014 bekam die Regierung in Berlin dafür eine Rüge aus Brüssel. Damals räumte die Kommission aber auch ein, dass die hohe Wettbewerbsfähigkeit der exportabhängigen Industrie für den Überschuss sorgt.

Das US-Finanzministerium appellierte nun an Berlin, statt hohe Sparrücklagen zu bilden, solle man den Handelsüberschuss zur Stimulierung des Binnenkonsums nutzen. Eine steigende Nachfrage nach ausländischen Gütern würde wesentlich dazu beitragen, eine ausgewogenere Außenhandelsbilanz zu schaffen.

In Deutschland sind die Löhne lange nicht gestiegen, doch hat sich das inzwischen geändert. Im Vorjahr gab es das größte Lohnplus seit über 20 Jahren. Die Reallöhne wuchsen um 2,5 Prozent, das war der größte Anstieg seit dem Jahr 1992. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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