Berlin macht Jagd auf "illegale" Gastgeber

Mehr als 12,4 Millionen Touristen besichtigten 2015 die Berliner Mauer und andere Sehenswürdigkeiten.
Mehr als 12,4 Millionen Touristen besichtigten 2015 die Berliner Mauer und andere Sehenswürdigkeiten.imago stock&people
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Berlin reagiert auf die Wohnungsnot und verbietet private Ferienunterkünfte. Die Stadt setzt dabei auf Hinweise aus der Bevölkerung.

Neuerdings flattern bei den Haushalten im Berliner In-Viertel Kreuzberg ungewöhnliche Postkarten in die Briefkästen. „Das Zweckentfremdungsverbot in Berlin umsetzen!“, steht darauf. Die Bürger werden auf den Flyern zur Mithilfe aufgerufen: Sollten sie Kenntnis davon haben, dass ihr Nachbar seine Wohnung rechtswidrig zu gewerblichen Zwecken verwendet oder leer stehen lässt, mögen sie Details wie Türnummer, Name und Lage bitte auf der Rückseite der Postkarte vermerken und diese an die örtliche SPD-Fraktion retournieren.

Der Absender darf auch gern anonym bleiben. Das Porto zahlt der Empfänger, sprich die Partei. Diese will die Hinweise aus der Bevölkerung an das zuständige Bezirksamt weiterleiten und so ihren Teil zur Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots beitragen.

Schonfrist vorbei

Hintergrund dieser von der Zeit Online publik gemachten, ungewöhnlichen Aktion ist ein Gesetz, das es schon länger gibt. Doch am 1. Mai läuft die zweijährige Schonfrist für Vermieter von Privatunterkünften aus. So sie keine Ausnahmegenehmigung aus wichtigem Grund eingeholt haben, droht ihnen nun bei Vermietung einer kompletten Wohnung als Feriendomizil eine Strafe von bis zu 100.000 Euro. Einzelne Räume oder eine Schlafcouch im Wohnzimmer zu vermieten, steht den Berlinern nach wie vor frei. Mit diesem im internationalen Vergleich scharfen Gesetz will die deutsche Hauptstadt Druck aus dem überhitzten Wohnungsmarkt nehmen. Die Landesregierung hofft auf 10.000 Ferienwohnungen, die wieder zur normalen Vermietung gelangen könnten.

Vor allem Privatunterkunftsportale wie Airbnb sind der Behörde ein Dorn im Auge. Das Unternehmen meldete jüngst 20.200 Berliner, die ihre Wohnungen 2015 temporär über die Seite angeboten hätten. Mehr als 12,4 Millionen Touristen empfing die Metropole an der Spree im Vorjahr. Doch bei Weitem nicht alle von ihnen wollen heute im Standard-Zweibettzimmer mit Minibar übernachten. Den 814 Beherbergungsbetrieben stehen 6300 private Ferienwohnungen gegenüber. So lauten zumindest die offiziellen Zahlen, die der Stadtentwicklung in den vergangenen zwei Jahren gemeldet wurden. Die Dunkelziffer dürfte nach Schätzungen von Immobilienentwicklern und aufgrund der nun von Airbnb veröffentlichten Daten mindestens doppelt so hoch liegen.

Geordneter Rückzug

Airbnb, der Platzhirsch unter den Privatunterkunftsportalen, hat bereits vor Inkrafttreten der Verschärfung den geordneten Teilrückzug angetreten. Die Plattform strich kürzlich zahlreiche Angebote aus ihrer Datenbank. Das sei lediglich eine „routinemäßige Qualitätsinitiative“ wie überall andernorts auf der Welt. Die Streichung richtete sich gegen mehrfache Wohnungsanbieter. Begründung des Unternehmens: Hier sei das authentische Erlebnis im Heim der Gastgeber, mit dem man wirbt, einem nüchternen Brotberuf gewichen. Mit der mit 1. Mai in Kraft getretenen Sanktionierung habe die Bereinigung des Portfolios nichts zu tun.

Wien geht vergleichsweise sanft mit Airbnb und Konsorten um: Ende Februar hat die Stadt die Plattformen kontaktiert. Sie müssen nun die Identität der Gastgeber melden. Diese werden dann, so die Ankündigung von Finanzlandesrätin Renate Brauner (SPÖ), darauf aufmerksam gemacht, dass sie nicht in einem gesetzlosen Raum agieren, sondern beispielsweise Steuern und Ortstaxen zu entrichten haben. Wer erwischt wird, dem droht in Zukunft eine Höchststrafe von 2100 Euro. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)

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