Steuertrick kostet Deutschland über eine Milliarde pro Jahr

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Berlin (c) imago/Stefan Zeitz (imago stock&people)
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Rund um den Dividendenstichtag florieren die Leihgeschäfte zwischen Wertpapierbesitzer und deutschen Banken der in ausländischer Hand gehaltenen deutschen Aktien. Damit werden Steuern vermieden.

Durch fragwürdige Geschäfte deutscher Banken sind dem deutschen Fiskus seit 2011 rund fünf Mrd. Euro verloren gegangen, haben der Bayerische Rundfunk und das "Handelsblatt" berichtet. Besonders aktiv sei dabei die Commerzbank gewesen, die in der Finanzkrise mit 18 Milliarden Euro an Steuergeldern vom Staat gerettet wurde. Die Medien berufen sich auf vertrauliche Unterlagen, die sie mit dem New Yorker Recherchebüro ProPublica und der "Washington Post" auswerten.

Dabei bedienten sich die Banken und ihre ausländischen Partner eines Steuertricks, der im Branchenjargon Cum/Cum-Geschäft genannt wird: Kurz vor der Auszahlung der Dividende verleihen ausländische Aktionäre ihre deutschen Aktien an inländische Banken. Versteuert werden muss die Dividende von allen Aktionären, doch inländische erhalten für die volle Summe eine Gutschrift, ausländische nur für einen Teil davon. Dank des Leihgeschäfts muss der deutsche Fiskus mehr Steuern zurückerstatten als beabsichtigt.

Gesparte Steuer aufgeteilt

Die Tricks seien so beliebt, dass das Volumen verliehener Aktien deutscher Unternehmen in den letzten drei Wochen vor einem Dividendenstichtag um bis zu 800 Prozent anschwelle, berichtet das "Handelsblatt". Zwischen 2013 und 2015 ließen sich derartige Hilfsdienste demnach allein bei der Commerzbank 250 Mal nachweisen. Laut BR teilten sich die Beteiligten die gesparte Steuer auf.

Die Commerzbank erklärte demnach auf Anfrage, bei täglich über 100.000 Handelsgeschäften agiere sie "zwangsläufig" in sogenannten Cum/Cum-Situationen. Doch stelle sie "durch umfangreiche interne Systeme und Kontrollen sicher, dass alle Handelsgeschäfte im Einklang mit dem geltenden Recht stehen". Vor allem große Fonds wie Blackrock und Vanguard machten sich das zunutze, hieß es in dem Bericht. Vanguard spreche von einer "weit verbreiteten Praxis".

Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick kritisierte die Beteiligung der Commerzbank: "Ich finde, eine Bank, die vom Steuerzahler gerettet worden ist und an der der Staat immer noch mit einem großen Anteil beteiligt ist, muss andere Maßstäbe anlegen und darf auf keinen Fall zulasten des Steuerzahlers solche Geschäfte machen", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.

Staat arbeitet an Reform

Die deutsche Bundesregierung arbeitet bereits daran, das Schlupfloch zu schließen, wie aus dem Entwurf für ein Investmentsteuer-Reformgesetz vom Februar hervorgeht. Um weiterhin Anspruch auf die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer zu haben, muss der Erwerber die Aktien demnach künftig 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag im Besitz haben. Zudem muss er ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Risiko am Aktienpaket tragen. Ob Banken und Investoren rückwirkend mit Rückforderungen rechnen müssen, ist zweifelhaft.

(APA/AFP/Reuters)

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