Mister Green und das Geld anderer Leute

CEO Philip Green of Britain's retail clothing store Topshop poses before opening the chain's New York flagship store
CEO Philip Green of Britain's retail clothing store Topshop poses before opening the chain's New York flagship storeREUTERS
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Die Pleite der britischen Kaufhauskette BHS ist eine Geschichte von Selbstbereicherung und Gier.

London. Zu seinem 50. Geburtstag flog er 200 Freunde nach Zypern, zum 60er leistete er sich eine Party in Mexiko für 6,5 Millionen Pfund (8,2 Millionen Euro), bei der unter anderem Kate Hudson, Leonardo DiCaprio und Kate Moss zu Gast waren. Sein bestes Geschenk machte sich der britische Modemilliardär Philip Green aber vermutlich im Vorjahr, als er zu seinem 63. Geburtstag die Kaufhauskette BHS für den symbolischen Betrag von einem Pfund verkaufte: „Mein Geschenk war eine Entsorgung, nicht ein Kauf“, sagte er damals der „Sunday Times“.

Heute weiß ganz Großbritannien, warum Green so erleichtert war, das Traditionshaus loszuwerden. In der Vorwoche musste das 1928 in Südlondon gegründete Unternehmen British Home Store (BHS) mit Außenständen von 1,3 Milliarden Pfund, inklusive eines Lochs in der Pensionskasse von 571 Millionen Pfund, den Ausgleich anmelden. 11.000 Angestellte zittern um ihren Job, 20.000 BHS-Pensionisten um ihre Altersversorgung. Es ist die größte Einzelhandelspleite Großbritanniens seit dem Konkurs von Woolworth 2008.

Altmodisches Sortiment

Obwohl BHS immer noch 164 Geschäfte betreibt – unter anderem in Toplagen wie der Londoner Oxford Street – hat sich der Niedergang der Kette abgezeichnet. Das Sortiment ist altmodisch, die Läden schäbig, die Qualität bedenklich. Der Marktanteil fiel auf 8,2 Prozent. Längst hatte man den Anschluss an moderne Zeiten und Mitbewerber wie H&M, Zara oder Primark verpasst.

Gescheitert dürfte BHS aber nicht nur an der fehlenden Anpassung an den Kundengeschmack sein, sondern auch an der Gier seines Eigentümers. Das legen zahlreiche Enthüllungen britischer Medien nahe. Green erwarb die Kaufhauskette im Jahr 2000 um 200 Millionen Pfund. Mit harten Sparmaßnahmen führte Green es in die Gewinnzone. Dafür zahlte er zwischen 2002 und 2004 Dividenden von 423 Millionen Pfund aus. Das Geld ging an seine Frau Tina, die in Monaco lebt und dafür keine Steuern zahlte. 2002 kauften die Greens die Arcadia Group, zu deren Marken unter anderem Topshop, Topman, Dorothy Perkins und Miss Selfridges zählen, die in den folgenden Jahren weltweit Erfolge feierten und für die unter anderem Supermodel Kate Moss warb. Den Erfolg feierten die Greens 2006 mit der steuerschonenden Auszahlung einer Dividende von 1,3 Milliarden Pfund an Tina Green.

Wie sich nun herausstellte, wurde das Unternehmen dafür mit einer Milliarde Pfund Schulden belastet. Statt in Investitionen flossen die Kredite unter anderem in drei Superjachten, einen Privatjet und Luxuslimousinen. Insgesamt zog Green in seinen 15 Jahren am Steuerrad von BHS 586 Millionen Pfund an Dividenden, Managemententgelt, Mieten und sonstigen Abgaben an den Eigentümer aus dem sinkenden Schiff.

Als er es endgültig versenkt hatte, zeigte sich der für sein Aufbrausen gefürchtete Unternehmer alles andere als zerknirscht. Ausgerechnet in den Tagen der BHS-Pleite übernahm er seine neueste Luxusjacht Lionheart (aus derselben Werft wie jene von Donald Trump, aber fünf Meter länger) um 100 Millionen Pfund. Auf Reporterfragen zischte er: „Das geht doch Sie nichts an, wofür ich mein Geld ausgebe.“ Zur Deckung des Pensionslochs bei BHS will er angeblich 80 Millionen Pfund beitragen, davon 40 Millionen Pfund in Cash. Die „Sunday Times“ schätzt das Vermögen Greens bzw. seiner Frau immer noch auf 3,2 Milliarden Pfund.

In den kommenden Tagen wird sich der 64-Jährige vor einem Parlamentsausschuss verantworten müssen. Als das „inakzeptable Gesicht des Kapitalismus“ attackierte ihn der Abgeordnete Richard Fuller, ausgerechnet ein Konservativer. Für dessen Partei ist der freie Markt Dogma, und sie ernannte Green 2010 zum Sonderbeauftragten für Effizienzsteigerung. Die Opposition hat wenig Grund zur Schadenfreude: Labour-Premier Tony Blair machte Green im Jahr 2006 sogar zum Ritter für „Verdienste um den Einzelhandel“. Hinter dem Skandal um BHS steht einmal mehr auch ein Versagen der Aufsicht. Dass Green das Unternehmen an einen zweimaligen Pleitier ohne jede Erfahrung im Einzelhandel verkaufte, kostete nur ein paar erhobene Augenbrauen. Wie er 15 Jahre seine Bücher führte, scheint im Nachhinein mehr als bedenklich. Für das Loch in der Pensionskasse kommt nun die Allgemeinheit auf.

Eine Serie dubioser Pleiten

Doch Philip Greens Umgang mit dem Geld anderer Leute ist nur das letzte Kapitel einer unrühmlichen Serie in Großbritannien. Verleger Robert Maxwell, Bergbauunternehmer Tiny Rowland oder Banker Fred Goodwin haben nicht anders gehandelt. Im schönen Schein von Prominenten und der Pflege politischer Beziehungen schafften sie sich Unantastbarkeit. Als etwa die Familie Glazier 2005 Manchester United übernahm, war der Verein schuldenfrei. Den Kaufpreis von 790 Millionen Pfund nahmen sie als Kredit auf, den sie dem Verein aufbürdeten. Buchprüfer haben errechnet, dass in den folgenden zehn Jahren rund eine Milliarde Pfund aus dem Verein abgezogen wurde.

Angesichts der Unsicherheit um den Verbleib Großbritanniens in der EU schwächelt die Wirtschaft des Landes gewaltig. In derselben Woche wie BHS mussten auch der Herrenausstatter Austin Reed mit mehr als 1000 Mitarbeitern und die größte Druckerei des Landes, Polestar, mit 1500 Beschäftigten Gläubigerschutz anmelden.

Als Retter aus dem BHS-Desaster empfiehlt sich nun ausgerechnet Sports-Direct-Magnat Mike Ashley, der auf Grundlage von Null-Stunden-Verträgen ein Imperium geschaffen hat und wegen des Vorwurfs der Ausbeutung sogar vor das Parlament zitiert wurde. Ashley blieb fern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2016)

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