Investoren entdecken Russland neu

Russland, Moskau, Kreml, Kremlmauer
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Gegen den Trend versuchen einige österreichische Unternehmen auf dem russischen Markt neu Fuß zu fassen. Der günstige Rubel hilft dabei sehr.

Wien/Moskau. Würde man Andreas Friedl fragen, was einen Unternehmer ausmacht, würde er auf die Zeichen der Zeit zu sprechen kommen. Sie zu erkennen, hat oft über Erfolg oder Misserfolg des Tirolers und seines Mittelbetriebes Frivent entschieden. Schon Anfang der 1990er-Jahre hat er vom Tiroler St. Johann aus den Markt für maßgeschneiderte Lüftungsgeräte in Russland bearbeitet, um zuletzt ein Drittel des Umsatzes ebendort zu generieren. Dass seit dem Vorjahr tiefe Flaute herrscht, weil die Wirtschaft in Putins Reich nicht mehr rund läuft, stellte Frivent vor eine Richtungsentscheidung. Und die fiel zugunsten Russlands aus: Frivent stockt die Präsenz dort auf und investiert erstmals sogar in eine Endfertigung vor Ort.

„Russland hat sich noch von jeder Krise erholt“, sagt Friedl. „Will man künftig dabei sein, muss man jetzt die Weichen stellen.“

Friedl entschied sich gegen den Trend. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrietages (DIHK) überlegt jedes achte deutsche Unternehmen, sich aus Russland zurückzuziehen. Zu schwach sind die Aussichten für die nächsten Jahre, nachdem das BIP 2015 um 3,7 Prozent geschrumpft ist. Die strukturelle Krise lastet auf dem Land, verstärkt durch die westlichen Sanktionen und vor allem durch den Ölpreis, der seit Juni 2014 um zwischenzeitlich drei Viertel einbrach und den Rubel mit nach unten riss. Nicht nur die russischen Importe haben sich um zwei Fünftel verringert. Die ausländischen Direktinvestitionen im Land sanken um 92 Prozent – ein Rekordtief, wie die Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung festhalten.

Trendwende spürbar

Doch nun zeichnet sich allmählich eine leichte Trendwende ab. So hält die Außenhandelsstelle der Österreichischen Wirtschaftskammer in Moskau in ihrem jüngsten Bericht fest, dass seit dem Vorjahr „ein verstärkter Trend zur Lokalisierung sowie der Wunsch einer Gründung von Produktionsniederlassungen in Russland spürbar“ seien. „Etwa ein Dutzend österreichischer Firmen ist ganz konkret auf der Suche nach Standorten für eine lokale Produktion“, sagt Dietmar Fellner, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Moskau, zur „Presse“: „Da ist einiges in der Pipeline.“

Wirklich spruchreif wie bei Frivent wurde bisher nur weniges: So begann die Kronospan-Gruppe im Vorjahr mit dem Bau eines neuen Spanplattenwerks in der Teilrepublik Baschkortostan. Ihr Tiroler Konkurrent Egger investiert seit Herbst 2014 rund 200 Mio. Euro in den Ausbau seines Werks im westrussischen Gagarin.

Waren diese Investitionen noch vor Ausbruch der Rezession geplant, so sind die neuen Investitionsvorhaben in der „Pipeline“ ganz einfach auch den neuen Umständen zu verdanken.

Konkret sind es drei Momente, durch die Russland entgegen der öffentlichen Wahrnehmung und teilweise auch zur eigenen Überraschung attraktiv geworden ist. Da ist zum einen der günstige Wechselkurs, der die zuvor schon hohen Personalkosten, Grundstücke und Objekte für ausländische Investoren um die Hälfte verbilligt hat, so Viktor Tschetverikov, Chef der russischen Ratingagentur NRA, die kürzlich ein Ranking über die investitionsfreundlichsten russischen Regionen erstellt hat. Da ist die wechselkursbedingte Verbilligung des Exports von in Russland produzierten Produkten – wie dies etwa Volkswagen im Motorenbereich praktiziert. Und da ist die Verordnung der Regierung, dass Staatskonzerne bei gleicher Qualität inländische Produkte kaufen müssen, was auch westliche Konzerne zum Branding „Made in Russia“ zwingt.

„Wir hatten eine Produktion vor Ort immer im Hinterkopf“, sagt Peter Augendopler, Chef des Backmittelerzeugers und Kornspitz-Erfinders Backaldrin. „Nun hat uns der günstige Rubel auf die Sprünge geholfen.“ Backaldrin nimmt einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand und beginnt im Juni mit dem Bau eines Werkes 70 Kilometer südlich von Moskau. Es wird die größte Produktionsstätte des oberösterreichischen Familienunternehmens im Ausland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

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