"Das selbstfahrende Auto kommt"

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GER, DTM, HockenheimringEibner / EXPA / picturedesk.com
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Selbstfahrende Autos sind kein kurzfristiger Hype, sagt Audi-Technikchef Stefan Knirsch. Auch Fahrzeuge ohne Lenkrad und Pedale werden auf die Straße kommen. Das werde die Branche grundlegend verändern.

Der Abgas-Skandal hält den VW-Konzern seit Monaten in Atem. Warum war es für die Techniker nicht möglich, die Vorschriften ohne Manipulationen einzuhalten?

Stefan Knirsch: Ich bitte um Verständnis, dass wir uns zu diesem Thema momentan nicht äußern können und wollen. Wir sind noch in Abstimmung mit den Behörden und können erst Stellung beziehen, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind.

Es wurde aber bereits die Lösung präsentiert, mit der die Autos wieder regelkonform werden sollen. Es ist der Einbau eines einfachen Luftgleitgitters. Wie kann es möglich sein, dass damit ein Problem gelöst wird, für das einst unerlaubte Manipulationen notwendig waren?

Ich kann hier nicht auf die Details eingehen, weil Audi nicht für den Motor verantwortlich ist. Allerdings ist der Strömungsgleichrichter nur für den 1.6 TDI notwendig, beim 2.0 TDI reicht eine Softwareänderung. Die Entwicklungs- und Simulationsmethoden haben sich aber massiv weiterentwickelt. Das kann erklären, warum man heute mit vergleichsweise einfach erscheinenden Maßnahmen die Vorschriften einhalten kann.

Abgase sollen künftig bei Autos ja weniger oder gar kein Thema mehr sein. Die Hoffnung liegt auf dem Elektroauto. Wann wird es sich durchsetzen?

Es gibt und wird auch noch für längere Zeit eine große Bandbreite an Antrieben geben, weil die Kunden sehr unterschiedliche Anforderungen haben. Natürlich wird die Elektrifizierung zunehmen – vorerst vor allem in Form von Hybriden. Langsam werden dann auch reine Elektroautos in größerem Umfang auf dem Markt auftreten. Studien gehen von rund 20 Prozent im Jahr 2025 aus. Wir stellen uns auf solche Szenarien ein. Dennoch glauben wir, dass Verbrennungsmotoren auch weiterhin Zukunft haben.

Mittelfristig führt am konventionellen Auto also kein Weg vorbei?

Mittelfristig sicherlich nicht. Langfristig kann man sich das vorstellen. Da reden wir aber von 2030 bis 2050. Denn es gibt viele Regionen auf der Welt – etwa in Afrika oder Asien –, wo Elektroautos noch länger kein Thema sein werden, weil sowohl die Infrastruktur als auch die Akzeptanz der Kunden fehlen.

Audi definiert sich stark über die Technik, vor allem die Antriebstechnik. Wie können Sie sich bei einem Elektromotor definieren, für den es – abseits der Speicherthematik – fast nichts mehr zu entwickeln gibt?

Da würde ich widersprechen, dass es beim Elektromotor kein Entwicklungspotenzial gäbe. Wenn sich alle Fahrzeugentwickler der ganzen Welt auf eine neue Technologie stürzen, dann wird es deutliche Entwicklungssprünge geben. Es gibt auch bei den Elektromotoren neue Konzepte in der Forschung, die leichter, leistungsfähiger und kostengünstiger sind. Es geht da gerade erst los. Und bei den Batteriespeichern erwarten wir ohnehin innerhalb der nächsten sieben, acht Jahre eine Verdoppelung des Energieinhalts.

Wird man je tausend Kilometer am Stück mit einem Elektroauto fahren können, das beim Preis vergleichbar mit heutigen Autos ist?

Ja, das wird möglich sein. Es wird für den Kunden aber gar nicht mehr relevant sein, weil wir dann eine Lade-Infrastruktur haben werden, die so bequem ist, dass er gar nicht mehr eine große Batterie kaufen wird. Man sieht etwa bei Tesla, dass jene, die bereits ihr zweites Elektroauto kaufen, sich für eine Version mit kleinerer Batterie entscheiden. Das zeigt, dass die Menschen zuerst aus Reichweitenangst auf große Batterien setzen und im Lauf der Zeit feststellen, dass sie diese gar nicht brauchen. Wir wären schnell in der Lage, Reichweiten von 700 bis 800 Kilometern möglich zu machen. Es ist aber die Frage, ob das wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist.

Elektrofahrzeuge sind auf Messen inzwischen schon fast ein alter Hut. Bestimmendes Thema sind derzeit selbstfahrende Autos. Ist das nur ein kurzfristiger Hype oder wirklich die Zukunft?

Das ist überhaupt kein Hype. Diese Technologie wird sich durchsetzen. Die Frage ist nur, wie lang es bis zum sogenannten Level 5 dauert, bei dem es dann auch keine Pedale und kein Lenkrad mehr im Auto gibt. Das ist eine disruptive Technologie, weil sich dadurch Geschäftsmodelle komplett ändern. Sie müssen gar kein Auto mehr besitzen, sondern können es bei Bedarf anfordern und es kommt dann selbstständig zu Ihnen. Wenn Sie es mit Ihrem Kalender vernetzen, brauchen Sie nicht einmal mehr die Anforderung des Autos selbst zu machen. Am Ziel wird sich das Auto dann selbstständig einen Parkplatz suchen. Das wird für die Kunden sehr bequem werden. Und es wird Mobilitätskonzepte grundlegend ändern, weshalb ja auch nicht nur die etablierten Autohersteller an dem Thema arbeiten.

In den Zukunftsvisionen sind die Autos ständig mit dem Internet verbunden. Dort gibt es aber große Sicherheitsrisken – Viren oder Hacker.

Mit dem Thema Sicherheit beschäftigen wir uns sehr intensiv. Alle Systeme im Fahrzeug, die der Fahrsicherheit dienen, werden physisch vom Rest getrennt. Also selbst wenn Sie sich in das Auto hacken, kommen Sie nicht in diese sicherheitsrelevanten Systeme. Und wir engagieren natürlich auch viele begabte Hacker, die während der Entwicklung und Erprobung nur die Aufgabe haben zu versuchen, sich in unsere Systeme zu hacken, damit wir die Sicherheitsvorkehrungen testen können.

Sie meinten vorhin, dass nicht nur die etablierten Hersteller an diesem Thema dran sind. Es ist bekannt, das Google und Apple ebenfalls an Autos arbeiten. Macht Ihnen das Sorgen?

Es spornt uns an. Wettbewerb belebt immer das Geschäft. Und es ist sicherlich auch interessant, dass neue Player mit ganz anderen Ansätzen kommen. Wir kooperieren ja auch mit dem einen oder anderen, etwa bei der Integration von Smartphones in Entertainment- oder Navigationsfunktionen. Wir sehen aber auch: Die IT-Konzerne wollen ins Auto rein. Wir haben also eine hochinteressante Plattform.

Das Konzept von Apple soll ja sehr stark auf Carsharing abzielen. Ist das nicht die größte Gefahr für Firmen wie Audi? Dass Menschen keine Autos mehr besitzen wollen.

Auch das sehe ich als Chance. Audi wird sich in den kommenden Jahren immer mehr in Richtung eines Mobilitätsanbieters entwickeln – dabei geht es nicht allein um die Hardware, sondern auch um Mobilitätsservices. Das wird auch bedeuten, dass wir unseren Erfolg künftig nicht mehr nur in verkauften Autos messen werden.

Zwei Ihrer Konkurrenten – BMW und Daimler – haben bereits Carsharing-Angebote. Warum Audi und VW noch nicht?

Wir haben immer gesagt, dass das klassische Public Carsharing keine Option für uns ist. Wir wollen unseren Kunden auch mit unseren Mobilitätsservices das Premium-Erlebnis bieten, das sie von Audi gewohnt sind. Unsere Kunden wollen sicher nicht am Straßenrand verdreckte Autos übernehmen.

Staaten stecken Milliarden in den Ausbau der Eisenbahn. Wenn es nun schon bald elektrisch betriebene selbstfahrende Autos gibt: Hat ein Ausbau der Bahn überhaupt noch Sinn?

Ich glaube, dass sich die Strategen bei der Bahn intensiv mit den Bedrohungsszenarien beschäftigen, die durch selbstfahrende Autos entstehen. Wir würden uns jedenfalls freuen, wenn der Staat auch die für Elektromobilität notwendige Infrastruktur fördern würde, um das Thema konkurrenzfähiger zu machen.

Steckbrief

Stefan Knirsch ist seit Jänner 2016 Technikvorstand der VW-Tochter Audi. Der studierte Maschinenbauer startete seine Karriere 1990 in der Motorenkonstruktion bei dem Ingolstädter Konzern. 1996 wechselte er zu Porsche, wo er verschiedene Funktionen in der Konstruktion sowie Qualitätssicherung innehatte. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei Rheinmetall kehrte er 2013 zu Audi zurück. Er war im Rahmen des 37. Internationalen Wiener Motorensymposiums in der Vorwoche in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2016)

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